Chili und Schokolade
studieren. Möglicherweise möchtest du dich auch juristisch beraten lassen. Wofür ich natürlich vollstes Verständnis habe. Hast du mit Ulla schon über einzelne Rezepte gesprochen? Es wäre schön, wenn ihr mir ein kurzes Exposé schreiben könntet …» Er macht eine Pause (die allerdings nicht lange genug ist, damit ich fragen kann, wie so ein Exposé aussieht) und holt ein weiteres Kuvert aus seiner Tasche. «Hier ist auch das Marketingkonzept. Du wirst es sicher lesen wollen.»
«Mmm … ja, natürlich», antworte ich zögernd, denn ich spüre: Jetzt wird es ernst. Ich werde vermarktet!
Trotz meiner konfusen Gedanken gelingt es mir, entspannt zu lächeln und das Konzept einigermaßen konzentriert zu lesen. Das Buch ist als Spitzentitel des nächsten Herbstprogramms eingeplant. Sobald der genaue Erscheinungstermin feststeht, beginnt die Presseabteilung Interviews für mich in den Printmedien zu vereinbaren und mich an die wichtigsten Talkshows der einzelnen TV -Sender als Meisterköchin und ehemaliges Callgirl zu empfehlen. Ich soll das Buch in möglichst vielen Shows der Öffentlichkeit vorstellen.
Jetzt, als ich schwarz auf weiß lese, was bisher nur eine verrückte Idee war, werde ich blass. Denn plötzlich begreife ich, wozu ich ja sagen soll: Ich, eine ganz normale Hausfrau, soll mich vor einem Millionenpublikum als Callgirl präsentieren! Bestimmt werde ich dann gefragt, wie man Männer verführt, ob Berühmtheiten unter meinen Kunden waren, oder noch schlimmer, welche Sexpraktiken ich bevorzuge. Die Medien sind doch nur auf Skandale und Schweinkram scharf.
Mon dieu!
Unbeabsichtigt entfährt mir ein leises Stöhnen.
«Irgendwas unklar?» Bertrams Stimme klingt irritiert. «Du siehst so besorgt aus.»
«Nein, nein, überhaupt nicht», beruhige ich ihn, sehe ihm in die Augen und erkläre mutig: «Ich würde gerne dein kochendes Callgirl sein!» Soeben wird mir nämlich bewusst, was mich an Bertrams bizarrem Vorhaben reizt: Ein Mitglied der ehrenwerten Familie Meyer wechselt ins Rotlichtmilieu. Sollte die Mischpoke doch davon Wind kriegen, wird daraus ein Skandal, auf den ich mich jetzt schon freue.
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17
Der nächste Tag ist in meinem Kalender rot gekennzeichnet. Ulla und ich sind zu unserem ersten Geschäftsgespräch verabredet. Das Treffen findet bei mir zu Hause statt, wo wir über Rezepte sprechen und auch schon einige für das Erotik-Kochbuch aussuchen wollen.
Wie mich Ulla aber gerade per SMS wissen lässt, verspätet sie sich etwas. Das Vorlesen bei ihrer Oma dauert länger als geplant.
Während ich auf sie warte, widme ich mich wieder meinem Geschenk, das Konrad mir gestern Abend mitgebracht hat. Ich kann es immer noch nicht fassen: ein nagelneues schneeweißes Laptop!
«Würdest du das als Entschuldigung annehmen?», hat er gemurmelt.
Vordergründig habe ich es angenommen, obwohl mir eines in Rosa lieber gewesen wäre. Anschließend durfte Konrad das Huhn in Chili-Schokosauce kosten, das ich als Probeessen gezaubert habe. Er ist nun mal ein wählerischer und kritischer Testesser. Seinem zufriedenen Grinsen nach zu schließen, dachte er wohl, die alte Ordnung sei wieder hergestellt. So muss es auf ihn gewirkt haben: In den gewohnten hellgrauen Klamotten sowie der vertrauten Schürze, ungeschminkt und ohne gestyltes Haar stand ich für
ihn
am Herd. Leutselig hing er am Küchentresen rum, mixte seinen Martini und plauderte über wegweisende Bauten.
Aber für mein Vorhaben ist es unerheblich, was Konrad glaubt, plant oder redet. Daher habe ich auch nur mit halbem Ohr zugehört. Erst als er Eulalia erwähnte, wurde ich aufmerksam. Zu meiner Überraschung schlug er vor, sie für mindestens drei Tage die Woche wieder einzustellen. Mir war sofort klar, dass Alma ihm massiv ins Gewissen geredet haben musste.
Von Versöhnung meinerseits kann aber keine Rede sein. Selbst wenn diese ominöse Schlüsselgeschichte endgültig aufgeklärt ist, werde ich nicht wieder ins Schlafzimmer zurückkehren. Angeblich findet er meine Unnachgiebigkeit bedauerlich. Möglicherweise ist dieser plötzliche Anfall von «Romantik» ja schon die aphrodisierende Wirkung der scharfen Hühnerbrüstchen. Ausprobieren möchte ich das aber auf keinen Fall. Das überlasse ich gerne seiner Geliebten. Für mich ist unsere Ehe am Ende. Ganz egal, wie viele Geschenke er mir macht oder wie lange er noch den Reumütigen spielt. Von mir bekommt er zur Scheidung ein Kochbuch von
Eve Lacombe.
Der Türsummer
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