Chill Bill (German Edition)
darüber zu reden. Sie hatten es nicht besser verdient, als von Negão und Prão aufgemischt zu werden. Der Unterschied zwischen so einem Computerspiel und der Realität war doch, dass man im Computerspiel mehrere Leben verbrauchen konnte, aber das hatte der sture Bock da oben nicht kapiert. Tonho zeigte es ihm.
Ninho brauchte nicht lange zu warten. Um eins sah er in der Menge an der Praça Tiradentes seine Brüder. Sie wirkten richtig entspannt wie nach dem Joggen oder einer Runde Squash.
»Na, Billard gespielt?«
Negão musste immer auf den Rücksitz, obwohl es gescheiter gewesen wäre, ihn wegen seiner 220 Pfund nach vorne zu lassen. »Wir hatten zwar Kugeln und Stöcke, aber einen Tisch hatten wir nicht.«
Alles lachte, außer Ninho. Er fand, sie hätten ihn mitnehmen sollen. Weil Ninho von allen bisher am wenigsten Spaß gehabt hatte, entschied Tonho, dass er beim nächsten Job mit dem Messer arbeiten durfte. Sie hatten bisher nicht viel erreicht, aber einen Trumpf hatten sie noch.
Sie fuhren nach Copacabana raus. Dort hielt Tonho dem Wächter im Apartmenthaus einen Zwanziger hin, und als Daniel zugreifen wollte, schnappte sich Tonho seine Hand mit einer Schlinge aus Kabelbinder. Ehe Daniel einfiel zu schreien, sah er Ninhos Messer und überlegte sich schon mal vorsorglich, wie er es anstellen konnte, seine Hand zu behalten. Währenddessen zog Tonho mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck die Schlinge an den Gitterstäben fest, bis dem Mann hinter dem Absperrgitter Tränen aus den Augen sickerten. Tonho sagte, dass es ihm gefiele, wenn jemand sich vor Angst in die Hosen pisste.
»Was willst du, Mann?«, schrie Daniel gegen den Karnevalslärm an. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Die Isabel war eine belebte Straße. Nebenan war eine Diskothek, halbnackte Mädels hüpften auf der Straße herum und schaukelten zur Musik ihre Brüste.
»Halt die Klappe, bis ich dich etwas frage, klar?«, sagte Tonho und Ninho schnitt eine zarte Linie in Daniels Unterarm, indem er das Messer mit Hingabe durch die Haut bewegte, ohne Druck auszuüben, ganz sanft hin, ganz sanft zurück. In anderen Kreisen hätte sein Feingefühl ihm den Rang eines
Maître
eingebracht. Wenn es um das Filettieren von Fisch gegangen wäre.
Daniel hielt die Klappe.
Tonho führte seine Lippen nahe an Daniels Ohren. »Also tu mir doch den Gefallen, vor Angst in die Hose zu pissen!«
Tonhos Augen wanderten zum Boden, wo das Comicheft lag, aber es kam nichts.
»Kannst wohl nicht vor lauter Angst, was?«
Ninho begann einen neuen Schnitt. Sie sollten nicht tiefer als einen Millimeter werden. Was er machte, war nicht abgesprochen, aber er hielt es für eine gute Idee.
»Ich sage dir jetzt genau ein Mal, was ich von dir will, und dann sprudelt die Antwort aus dir heraus, sonst nehmen wir deine Hand mit und werfen sie in die Mülltonne da.«
Dann erklärte er dem Wächter, was sie wissen wollten. Daniel war froh, dass Borboleta von Rebeiro geredet hatte. Er steckte sein komplettes Wissen über Borboleta, Patrícia und Rebeiro in einen einzigen Satz. Es war nicht viel, aber Tonho entschied, dass er sich seine Hand verdient hätte.
AUSKUNFTSDIENSTE
Etwa um diese Zeit kam Come-Rato auf die Idee und griff zum Telefon. Er war einer der Freunde, auf die sich Rebeiro verlassen konnte. Jedenfalls dachte Rebeiro das. Als Come-Rato die Verbindung nach Búzios bekam, war Rebeiro noch keine Minute von ihm weg.
»Er war hier«, sagte er, »und jetzt ist er mit Acht-Zehen-Joe nach Mato Grosso rauf. Ich denke, das sollten Sie wissen. Er arbeitet für die Bullen.«
Am anderen Ende grinste Forçalobo selbstgefällig in die Welt. Er sah die Lösung vieler Probleme vor sich. »Marcello, mein Lieber, es kann sein, dass Rebeiro bald einen Nachfolger braucht. Du weißt ja, wie gefährlich heutzutage das Leben geworden ist. Hast du dir schon einmal überlegt, den Bootsführerschein zu machen?«
»Wenn Sie wollen, melde ich mich gleich heute bei einer Schule an.«
»Ich denke, ich habe da eine Adresse für dich. Keine großen Formalitäten …« Mit Rücksicht auf Come-Ratos Werdegang war es sinnvoll, eine Art dritten Bildungsweg zu finden. »Wir reden noch darüber. Ich schicke dir ein paar Freunde und du kannst ihnen noch genauer erzählen, wie sie unser kleines Personalproblem in den Griff bekommen.«
Forçalobo blickte versonnen durch die großen Scheiben seiner Veranda auf den hellblauen Pool, in dessen glitzerndem Wasser Paola mit den Füßen plantschte.
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