Chill Bill (German Edition)
der da so geschäftig durch die Gegend läuft, den mit der Goldbrille? Das ist Edgard Gomez. Der Mann hat die meisten Apartments hier in Ihrem Hotel vermittelt. Er weiß, wer kommt und geht, und er blickt in die Zimmer.«
»Franco!« Katz legte seine Hand vertrauensvoll auf Pertos Schulter.
»Perto!«
»Na schön: Perto! Vergessen Sie’s! Dieser Pessoa … Wissen Sie, was der mir gesagt hat, wie viele Leute in Rio täglich erschossen werden? Sie nehmen den Angeschossenen im Krankenhaus nicht mal die Kugeln raus. Die werden einfach zugenäht, weil nicht genug Zeit für Operationen bleibt.«
PLATZWECHSEL
»
Maravilhoso!
«, sang Edgard. Seine gute Laune strahlte durch die Gassen Copacabanas wie die Sonne am Strand. Die goldene Faltbrille hatte er sich in den Mundwinkel geklemmt, um seine Nervosität zu dämpfen. Von weitem sah er Vincent und Corelli im Mab’s sitzen und stürmte auf sie zu.
Edgard hatte seine Putzfrau in das Apartment geschickt, das die beiden Deutschen verlassen hatten, und sie war unverrichteter Dinge zurückgekehrt. Daraufhin hatte er selbst einen Blick in die Räume geworfen. Die Bude glänzte wie das OP in einem Schweizer Krankenhaus. Edgard war zum Besitzer gegangen und hatte ihm gezeigt, wie sauber seine Kunden waren. Er wusste, das Loblied würde sich herumsprechen und in der nächsten Saison würde er einige Apartments mehr an der Hand haben. Edgard war stolz. Seine Brust quoll ihm aus dem Hemd, als er sich zu Vincent und Corelli an den Tisch stellte.
»Ich habe ein Apartment –
maravilhoso
!
«, sang er auf eine Art, mit der man dem Papst hätte Kondome verkaufen können. Er hatte immer irgendwas in der Hinterhand. Nun schien der Zeitpunkt, sein Ass auszuspielen. Er schickte ein konspiratives Zwinkern in die Runde.
»Abgeschieden!«, hauchte er.
Das neue Apartment lag im zehnten Stockwerk eines Mietshauses in Leme, direkt auf der anderen Straßenseite der Princesa Isabel, also keine zehn Minuten vom Mab’s, dem Ibiza und den Diskotheken weg, aber es war das hintere von Zwillingshochhäusern, die durch einen Gang miteinander verbunden waren, so dass man vom Straßenlärm der Isabel nichts hörte. Der Blick ging auf ein verträumtes Sträßchen hinaus. Auf der linken Seite war der Morro de Babilônia mit seinen hundert Meter hohen, urwaldbedeckten Hängen zum Greifen nahe. Das Apartment verfügte über gestuckte Decken, zwei getrennte Schlafzimmer, verschnörkelte Armaturen im Bad, einen Parkettfußboden und natürlich Farbfernseher und Klimaanlage.
»Ich frage mich, was wir hier noch machen«, sagte Vincent, »wir haben’s doch sowieso versiebt.«
Corelli lief begeistert durch die Wohnung. »Und wenn ich hier sterben müsste, das wäre nicht der schlechteste Platz dafür.«
»Die Klimaanlag«, erinnerte Edgard, »muss immer wieder abgestellt werden, wenn ihr mal zum Strand geht …« Er zwinkerte Corelli zu. »… oder ins Mab’s. Ich muss die Stromrechnung selbst bezahlen. Wenn ihr die Klimaanlage nicht abstellt, verdiene ich keinen Centavo. Ich zeige dir jetzt, wie es geht.«
Er zeigte Corelli zum dritten Mal, wie es ging: Man drehte am Knopf und das Ding war aus. Währenddessen ließ er sich ein halbes Dutzend Mal sagen, wie wunderbar das Apartment war.
»Ich vermiete es nur an euch, Sonderrabatt, vierzig pro Nacht, wenn ich es an
Cariocas
vermiete, demolieren sie die Einrichtung und lassen einen Saustall zurück. Das machen alle. Aber die Deutschen sind ordentlich. Ich gebe es euch für vierzig, aber ihr müsst die Klimaanlage ausmachen, wenn ihr rausgeht.«
Edgard zeigte Corelli ein letztes Mal, wie man es machte, und ging.
»Der hat Sorgen!«, stöhnte Vincent.
BILLARD UM HALB EINS
Ninho kam immer nur bis ins vierte Level. Dann erschien der Affe mit den Flügeln und warf mit den Steinen. Wenn man sie nicht in der Luft abschoss, zersplitterten sie am Boden und die Einzelteile erwischten den Spieler. Außerdem segelten immer wieder diese Frisbee-Scheiben in Kopfhöhe vorbei, und wenn man nicht aufpasste, weil man sich gerade auf den fliegenden Affen konzentrierte, verlor man sein Leben.
In Echtzeit kam aus allen Himmelsrichtungen das Rumsen der großen Sambatrommeln und schwitzende Leiber zappelten durch die Gegend, als hätten sie Käfer in den Haaren. Tonho, Negão und Prão waren im Billardsalon und mischten den Besitzer auf. Kaum zu glauben, dass Rebeiro noch Freunde hatte. Es gab immer noch Leute, die etwas über ihn wussten und sich weigerten, mit Tonho
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