Chill Bill (German Edition)
Kleidungsstücken hob sich ein besonders schrilles durch seinen grellen Rotton hervor. Eine Federboa, erkannte Vincent, sprang panisch vom Bett, musterte den Transvestiten neben der
Mulata
und bemerkte, dass nicht nur an seinem eigenen Körper jegliche Art von Kleidung fehlte.
A FEW GOOD MAN
Etwa um diese Zeit traf Forçalobo mit seiner Privatmaschine in Rio ein. Ein Wagen aus dem Fuhrpark der Militärpolizei wartete auf ihn unten beim Museum der schönen Künste. Eine Stunde und zehn Minuten hatten sie von Búzios gebraucht und eine Stunde war auch das Limit der Zeit, die er De Las Freitas geben wollte. Seit damals, als Forçalobo hier das Sagen hatte, kam er nur noch selten nach Rio. Es hatte sich einiges verändert, aber vieles war auch geblieben, wie er es kannte, nur dass er es schon wieder vergessen hatte.
Rio war ein Dreckloch, nie war ihm diese Tatsache so bewusst gewesen wie an diesem Märzmorgen um neun Uhr auf dem Weg durch das
Centro
in Richtung
Cidade
Nova
, der neuen Stadt.
Die Stadt hatte sich nachts nicht abgekühlt, so wie das in Búzios nachts passierte, der Dampf des Kessels Rio stand wabernd im Topf und niemand schaffte Ordnung. Wohin man blickte, sah man Penner und verwahrloste Kinder trieben sich zuhauf in den Straßen herum. Forçalobo beschloss, Freitas auf diese Missstände hinzuweisen. Hätte er damals mehr Zeit gehabt, dann sähe Rio heute anders aus.
DER MESSIAS
An der Scheibe des Fensters hinter dem Fernseher hing ein blauer Aufkleber mit einem zitronengelben Sonnenball, von dem breite Lichtstrahlen ausgingen, und am unteren Rand verkündete eine fette Schrift, dass der Messias im Anmarsch sei. Darunter lag ein mumifizierter Kakerlak. Vincent kochte sich eine Kanne Kaffee und machte sich daran, den Aufkleber zu entfernen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Corelli und die Übrigen geschlafen wie Murmeltiere. Corelli tappte benommen zum Klo und widmete Vincent einen bösartigen Blick. Als er wieder zurückkam, ließ er ihn wissen, dass nur ein Arschloch so früh am Morgen solch einen Lärm veranstaltete, und legte sich wieder neben Carla.
Vincent folgte ihm. »Sag mal, weißt du, was hier heute Nacht vorgegangen ist?«
»Was denn?«, erwiderte Corelli unwillig.
Vincent wies zu den Bettgenossen und -genossinnen im Nebenraum und Carla lachte.
»Ich geh zu Edgard«, kündigte Vincent an, »ich will’s jetzt wissen.«
KOLUMBIANISCHER KAFFEE
Mendez macht den besten Kaffee in ganz Brasilien. Das war jedenfalls Pertos Meinung. Er war einer der ersten Gäste im Café Mab’s an diesem Morgen. In schwierigen Zeiten übernahm Mendez für Perto die Funktion des unerschöpflichen Ratgebers. Er hatte in seinem Leben einiges durchgemacht. Vor gut dreißig Jahren, damals lebte er noch in Kolumbien, hatten er und sein Bruder eine alte Indianerin ausgelacht und von da ab, sagte Mendez, wären sie vom Pech verfolgt worden, bis er Kolumbien verließ.
Die Alte hatte behauptet, dass der Mond aus den Seelen der Verstorbenen bestehe, und deshalb dürfe ein Mann nie eine Frau berühren, wenn der Mond zusehen könne, denn das würde die Seelen verstimmen. Sie würden sich an der Frau rächen und sie unfruchtbar machen. Der Mann würde vom Pech verfolgt, solche Sachen hatte sie den Mendez-Brüdern weismachen wollen, Geschichten, wie es sie in jedem Dorf gab.
Was Mendez dazu brachte, an die Sache glauben, war, dass sein Bruder bei Vollmond in einer Messerstecherei starb, er selbst bei gleicher Gelegenheit mit einer Schussverletzung davonkam, jedoch ein halbes Bein verlor.
Perto bestellte sich einen Kaffee und zeigte Mendez die besten der Fotos, die sein Sohn geschossen hatte. Alles, was in der Kneipe zu dieser Zeit herumsaß, war begeistert über Carlos Blick für Details.
Mendez ließ die Sache kalt. »Wir haben bald Vollmond!«, erklärte er. Eine Tatsache, die in Verbindung mit dem Karneval unweigerlich zu einer Katastrophe führen musste.
»Das letzte Mal, als …«, begann er, blickte unvermittelt in die Ferne seiner Erinnerung und ließ den Satz unausgesprochen im Morgendunst stehen. »Die Vergangenheit kehrt immer wieder zurück.«
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wippte Prão auf seinen Zehen und neben ihm saß Tonho, der seine Zeitung las.
»Also, ich weiß nicht«, sagte Mendez noch, »ich habe so ein seltsames Gefühl.«
ICH ROBINSON, DU FREITAG
De Las Freitas gab sich überrascht. Er wusste, dass Forçalobo keine Höflichkeitsbesuche machte. Darum war er auf einiges
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