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Chill Bill (German Edition)

Chill Bill (German Edition)

Titel: Chill Bill (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger M. Fiedler
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Anrufbeantworter sprang an.
    »Hallo Vincent, lass uns noch mal reden. Ich bin im Ibiza«, sagte das Band. Dann pfiff es und eine Stimme antwortete mit einem so starken Akzent, dass Prão nicht ein Wort verstand.
    Zehn Minuten später traf Prão vor dem Ibiza ein. Er erkannte sie sofort. Nach Tonhos Beschreibung hätte er sie nie gefunden, aber sie sah genauso aus wie auf dem Foto, nur hatte sie eben mehr an. Prão ging direkt auf sie zu, fasste sie am Handgelenk und zerrte sie zum Ausgang. Er kam ganze zwei Schritte weit. Dann riss Elisabeth mit einer solchen Kraft an seiner Hand, dass er verwundert losließ.
Droga!,
dachte er, hat die Kraft!
    »Was willst du?«, schimpfte Elisabeth und zeigte ihm den Gesichtsausdruck einer Furie. Prão bekam einen Schreck. Jetzt war die Situation da, vor der er sich gefürchtet hatte. Er wusste nicht, was er jetzt sagen musste. Prão stand einen Moment lang da wie ein Schauspieler, der seinen Text vergessen hatte. Das ganze Lokal war voll von Leuten, die ihn alle angafften. Sie wollten jetzt alle von ihm den Text hören und er wusste nicht, wie der Text ging.
    »Halt die Klappe!«, sagte er schließlich und griff wieder zu. Diesmal schaffte er kaum einen Schritt. Dann stand Luciana vor ihm. Wie es aussah, kam er nicht an ihr vorbei. Luciana hatte den gleichen entschlossenen Gesichtsausdruck wie Elisabeth, nur hatte sie noch etwas, einen Baseballschläger. »Das gibt’s ja nicht …«, sagte Prão fassungslos.
    Eine der Anwesenden lief nach draußen. »Er bedroht Elisabeth!«
    Schlagartig versperrte sich der Zugang zum Lokal mit einer Ansammlung von zwei Dutzend Frauen.
    Prão spürte, dass ihm die Situation entglitt. Er dachte nicht mehr daran, was besser oder schlechter war, sondern nur noch daran, was Tonho von ihm erwartete. Er riss an Elisabeths Arm. Sie schrie. Luciana verpasste ihm ein Ding mit dem Schläger. Der Schläger krachte neben sein rechtes Knie. Nun schrie Prão. Es tat höllisch weh. Doch er ließ nicht los und so bekam er noch eins ab, wieder vor das Knie. Der dritte Schlag traf ihn so hart, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Er ließ Elisabeth los, humpelte nach vorn und versuchte, irgendwie durchzukommen. Nun begann für ihn der Spießrutenlauf. Es war eine Sinfonie von Tritten und Schlägen. Draußen arbeitete er sich hinkend und hüpfend aus der Reichweite der Frauen. Sie folgten ihm bis zur Straßenecke.
    Am anderen Ende der Straße fing Edgard Vincent ab und drückte ihm seine Zeitung in die Hand. Dabei zog der Zeigefinger seiner freien Hand leicht an seinem unteren Augenlid.

7. TEIL
Eigentlich könnte alles so sein, wie alles schon immer war …

DER ALTE KAISER
    Vor ziemlich genau hundert Jahren versuchte der zweite Pedro, Kaiser Brasiliens, in seinem Land die menschenunwürdige Sklaverei abzuschaffen. Aber die Sache ging schief. Es endete damit, dass Pedro nach Paris umziehen musste, weil sich die Grundbesitzer im Gegenzug entschlossen hatten, in ihrem Land den Kaiser abzuschaffen.
    Das alles ist inzwischen Geschichte. Dom Pedro erwarb sich den Ruf, Brasiliens Wirtschaft und Verkehr gefördert zu haben, künstliche Skipisten angelegt und eine ganze Reihe sehenswerter Schlösser gebaut zu haben, während der Beitrag der Grundbesitzer zum Weltkulturerbe darin besteht, eines der wenigen Länder auf der Erde zu besitzen, in denen man sonntagnachmittags noch Landlose jagen gehen kann, ohne gleich eine Anzeige zu riskieren.
    Forçalobo liebte beides, die alten kaiserlichen Schlösser und die Menschenjagd. So kam es, dass ein wunderschönes Chalet des humanistisch angehauchten Kaisers in der Nähe von Petrópolis, der Pedro-Stadt und kaiserlichen Sommerresidenz, ausgewählt wurde, um darin sadistische Folterknechte des Militärs gegen die damalige Opposition wüten zu lassen. Inzwischen gehört auch das der Geschichte an.
    65 Kilometer liegen zwischen Rio und Petrópolis, 800 Meter Höhe und 6 Grad Temperaturunterschied. Die Natur verliert hier oben das dumpf wuchernde Element. Wachstum, Blüte und Sterben vollziehen sich geordneter als an der Küste, und die Menschen haben ein ruhigeres Wesen. Es ist alles übersichtlicher. Man atmet eine saubere Luft, blickt in die Ferne der bewaldeten Hügellandschaft und erfreut sich an der klaren Architektur des vorigen Jahrhunderts.
    Schlichtheit wollten die Baumeister zum Ausdruck bringen und Eleganz. Dom Pedro liebte die brasilianische Flora, darum ließ er seine Bauten in weitläufige Gartenanlagen einpassen, die mit

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