Chill Bill (German Edition)
schmucklosen Wände wirkte der Eingangsbereich hell und einladend. Von den Folterexzessen, die im Keller einige Jahre zuvor stattgefunden hatten, ahnte der Besucher hier oben nichts.
De Las Freitas nahm die rechte Tür und Forçalobo folgte ihm in das große Kaminzimmer. Der Raum beeindruckte durch eine gewaltige, mit Schnitzereien reich verzierte Holzdecke. In den angeschmutzten Gardinen an der Vorderfront brach sich das Morgenlicht. Das Chalet stand leer, solange der Eigentümer, das Militär, sich nicht mit dem Amt für Denkmalpflege über die weitere Nutzung einigen konnte.
»Hier wird alles in Scherben gehen«, sagte De Las Freitas mit einiger Zerknirschung in der Stimme. Er fuhr mit der Schuhsohle über das staubige, ansonsten aber tadellose Parkett. Teppiche, Gemälde und Mobiliar aus der Jahrhundertwende warteten auf die Kugeln der Polizeigewehre.
»Ja«, bemerkte Forçalobo entnervt, »und meine Männer werden drin sein.«
De Las Freitas entging Forçalobos Zynismus.
»Ihre Vorfahren waren Europäer«, fuhr Forçalobo fort.
»Wie die der meisten Menschen hier«, verteidigte sich De Las Freitas.
»Aber nicht alle haben ein De im Namen und sind mit dem silbernen Löffel im Mund zur Welt gekommen.«
De Las Freitas nahm die Papiere vom Schreibtisch, die Forçalobo ihm zu Beginn des Treffens übergeben hatte, und entzündete das erste Blatt im Kamin.
Quid pro quo
. Beweismittel gegen Beweismittel. Sobald die Flammen das Papier gefressen hatten, legte er weitere Blätter nach.
»Ich frage mich, warum ich damals so große Stücke auf Sie gehalten habe«, begann Forçalobo von neuem, »vielleicht war es der Gegensatz zwischen uns.«
Forçalobo durchquerte gedankenverloren den Raum und lehnte sich an den Schreibtisch im hinteren Teil, während De Las Freitas sich eifrig bemühte, alles das zu vernichten, was seinem Weg nach oben noch im Wege stand.
»Wissen Sie, dass ich als
Garimpeiro
angefangen habe?«
Freitas hatte von dieser Geschichte gehört. Er hatte außerdem gehört, dass sie eine Erfindung Forçalobos war.
»Wir hatten einen Jutesack und ein Paar Schuhe, das war unser Kapital. Damit haben wir uns in die Hölle gewühlt. Sie, Sie haben keine Ahnung davon, Sie können sich das nicht vorstellen, wie es ist, wenn man von morgens bis abends nur durch den Schlamm stapft, die brennende Sonne über dir, morsche Trittleitern unter dir, Schmerzen in der Hand, dem Rücken und den Beinen. Der Dreck kommt dir aus allen Ritzen des Körpers, du weißt nicht mehr, wo du bist und was du machst, du läufst nur noch den anderen hinterher wie eine Ameise. Du siehst nichts mehr um dich herum, nur noch deine Füße und all den Schlamm. Und am Abend kannst du nicht schlafen, weil dich die Krämpfe in den Beinen quälen.«
De Las Freitas hielt seinen Kopf gesenkt wie ein Hund, der von seinem Herrchen ausgeschimpft wurde, wartete darauf, dass Forçalobo zum Ende kam, und verfeuerte sorgfältig ein Blatt nach dem anderen.
»Ihr feinen Pinkel seid euch viel zu schade für harte Arbeit. Andere sollen den Kopf für euch hinhalten. Aber ich bin den ganzen, bitteren Weg alleine gegangen. Ohne die Gabe mich durchzuschlagen hätte ich es niemals so weit gebracht.« Forçalobos Zeigefinger wies bekräftigend auf den Fußboden, als stünden dort seine Worte geschrieben.
De Las Freitas überlegte sich, ob er die Version der Geschichte erzählen sollte, die er gehört hatte, nämlich die, nach der Forçalobo der Sohn eines Dorfpolizisten und einer indianischen Hure war. Der Dorfpolizist hatte es irgendwie geschafft, seinen Bastard in der Armee unterzubringen, wo es Forçalobo allein durch seine Kaltblütigkeit bis zum Admiral gebracht hatte. Von den Schlammlöchern der Serra Pelada hatte Forçalobo so wenig gesehen wie ein Regenwurm vom Mond.
»Wir sind beide Soldaten«, sagte er stattdessen beschwichtigend.
»Nein«, grunzte Forçalobo, »ein Soldat hat Ehre. Er schlägt sich für seine Kameraden und fällt ihnen nicht in den Rücken. Sie haben keine Ehre und Sie haben kein Rückgrat. Das sollen Sie wissen, bevor wir die armen Hunde da oben zur Schlachtbank führen. Sie – sind kein Soldat!«
SPANNUNG
Sobald Forçalobo auf dem Weg nach oben war, wo sich Tonho und die anderen verschanzt hatten, schaute De Las Freitas verstohlen zur Uhr. 8 Uhr 30, wenn alles gut gelaufen war, hatten seine Leute inzwischen Alencars Kanzlei komplett auf den Kopf gestellt und alles an Beweismitteln gegen ihn beschlagnahmt, was
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