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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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versetzen ihn einfach so, ohne dass er sich auch nur ein Mü (das ist doch so eine Minimaßeinheit) anstrengen muss?
    Bisher hat Abdul noch immer alles wieder hingebogen. Kurz vor der Zensurenabgabe hat er sich in diversen Fächern um eine, manchmal sogar um zwei Noten verbessert. Und ich bin mir sicher, er wird es auch diesmal schaffen. Aber ganz sicher ohne seinen Computer. Der wird jetzt wieder mal konfisziert.
    Mitten im Gespräch – die Physiklehrerin Frau Schwalle verschießt gerade ihr stärkstes Pulver – sehe ich plötzlich Tränen über das Gesicht von Abduls Mutter laufen. Mir wird ganz anders. Jetzt weint sie wieder. Sie soll nicht weinen. Ich will, dass Frau Schwalle aufhört. Ich will Abduls Mama sagen: »Der geht schon in Ordnung. Der ist so nett und so lustig und bei allen so beliebt, ich lasse den nicht sitzen. Ich will den auch nächstes Jahr in meiner Klasse haben. Ich brauche den doch auf der Abschlussparty, für die Stimmung und zum Tanzen. Machen Sie sich keine Sorgen, wir kriegen das schon hin. Bitte hören Sie auf zu weinen, sonst fange ich auch noch an.«
    Aber ich sage nichts, versuche sie anzulächeln und streichele ihr unauffällig den Arm. Irgendwann ziehen sie ab. Ein sehr verwirrter Abdul trottet hinter seiner verheulten Mutter und der sauren Tanten-Cousine her.
    Manchmal ist das Lehrerdasein echt nicht leicht. Ich wäre heute lieber der Überbringer guter Nachrichten gewesen: »Sie haben die sechs Richtigen getippt! Und du bist im Bandhaus!«
    Am Schüler riechen
    Unterricht, 8. Klasse. Es klingelt, ein paar Streber sind schon im Raum. Ich beginne mit der Stunde. In regelmäßigen Abständen geht die Tür auf. Mal leise, mal wird sie aufgerissen und einzelne Schüler oder ganze Schülergruppen stürzen herein. »Ich war Klo.« – »Cafeteria.« – »Musste was klären.« – »Hat es schon geklingelt?« – »Hat noch nicht geklingelt.« Ich notiere jede einzelne Verspätung.
    Nach einer Viertelstunde sind fast alle Schüler der Klasse da. Nur Yusuf und Mohamad fehlen. Aber das stört mich nicht weiter, denn ich erhoffe mir von ihrer Abwesenheit eine Stunde ohne lästiges Gerappe und Vogelstimmenimitationen.
    Nach 25 Minuten geht jedoch leise die Tür auf und die beiden schleichen rein, wollen sich unauffällig auf ihre Plätze verkrümeln. Nicht mit Frau Freitag: »Stopp mal! Wo kommt ihr denn jetzt her?«, frage ich streng und stelle mich ihnen in den Weg.
    Mohamad: »Ich hatte was am Bein.«
    »Ja was denn? Einen Fuß oder was?«
    »Nein, mein Bein hat wehgetan, und Yusuf hat mir geholfen.« Sie machen beide ein Gesicht, als hätten sie sich mit letzter Kraft in meinen Unterricht geschleppt, obwohl ein schneller Tod auf der Treppe ihr eigentliches Schicksal gewesen wäre. Yusuf guckt mich entrüstet an: »Ist doch nett von mir, dass ich ihm geholfen habe.«
    »Ja, wie hast du ihm denn geholfen? Wart ihr im Sekretariat?«
    Beide: »Nö.«
    Jetzt steigt mir ein wohlbekannter Geruch in die Nase. Ich stehe dicht neben Mohamad und rieche Zigarettenrauch. Ich halte meine Nase an seinen Kopf, kann aber nicht eindeutig sagen, ob es Rauch oder nur Kopfhautfett ist. Deshalb nehme ich kurz entschlossen seine rechte Hand und rieche daran. Eindeutig frischer Rauch!
    »Was machen Sie da?«, ruft Yusuf empört.
    »Du hast geraucht!«, stelle ich fest und gucke Mohamad böse an.
    Jetzt baut sich Yusuf vor mir auf: »Sie dürfen nicht Schüler anfassen und an ihnen riechen!«
    »Wieso darf ich das nicht? Ist er aus heiligem Material, oder was? Geht er kaputt, wenn ich ihn anfasse, oder wie?« Aber Yusuf scheint sich gut auszukennen: »Das ist Belästigung!«
    Jetzt hört sich ja wohl alles auf, denke ich und mache ein entsprechendes Gesicht: »Jetzt pass mal auf, Yusuf, erzähl hier nicht solchen Mist. Belästigung! Krieg dich wieder ein! Und jetzt setzt euch hin, ich spreche nachher mit eurem Klassenlehrer!«
    Damit hat sich für mich der Fall erledigt, und ich lasse sie nach hinten schlurfen.
    Warst du nicht eben noch Emo?
    Jeden Morgen zähle ich im Bus die verbleibenden Schultage. Und es sind nicht mehr viele. Wirklich nicht. Da fällt noch so viel weg. Wandertag, Sportfest, mündliche Prüfungen, Zeugnisübergabe – man muss gar nicht mehr krank werden, das halten wir jetzt noch durch. Und dann kommen die Sommerferien. Vorher noch die Abschlussfeier mit Hochsteckfrisur und Getanze. Leider habe ich es wieder nicht geschafft, mir ein paar coole Breakdance-Moves beibringen zu lassen. Muss ich

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