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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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in einem Laden gekauft und nicht irgendjemandem weggenommen oder gebraucht von einem Kuseng bekommen.
    Lehrer sind ja nicht automatisch alt und oll und interessieren sich für nix. Wenn ich singen könnte, würde ich mich jedes Jahr bei Popstars bewerben.
    Ihr lieben Schüler, seid mal nicht so arrogant und traut uns mal mehr zu, als Fehlzettel oder Tadel zu schreiben. Ja, wir hören auch Musik. Nein, nicht nur Klassik oder Jazz. Wir kennen H&M, auch wenn wir da nicht einkaufen müssen, weil wir uns auch T-Shirts für 25 Euro leisten KÖNNEN. By the way, nur die halten den Stressschweiß aus, den wir während des Unterrichtens produzieren.
    Und, ihr lieben Kleinen, es gab auch früher schon coole Sachen. Stellt euch das mal vor. Tolle Musik, abgefahrene Modetrends, Tanzstile, die schwer zu erlernen sind – das gab es alles, obwohl IHR noch nicht geboren wart. Die Welt fing nicht mit eurer Geburt an – eure schon, aber meine nicht und die von ganz, ganz vielen anderen auch nicht. Und sogar vor meiner Geburt gab es schon Leute, die cool waren. Ihr habt die Coolness nicht erfunden. Und jetzt muss ich euch noch was ganz Trauriges sagen: Es gab sogar schon Hip-Hop, bevor ihr überhaupt geplant wart.
    Chillen Sie mal!
    Ja, Ritalin, das möchte ich auch. Bin ich doch zurzeit recht gestresst von mir selbst. Ich rauche wie in einem 50er-Jahre-Film, aber irgendwie entspannt mich das nicht. Der Kaffee verfehlt bei mir seine beruhigende Wirkung. Selbst wenn ich vier Tassen am Tag trinke, bin ich noch aufgedreht. Ritalin könnte mir wirklich helfen. Abends bin ich von mir und dem Tag so fertig, dass ich wie eine Tote in Sekunden einschlafe.
    Frau Dienstag sagt: »Na, lass uns mal nur zweimal in der Woche treffen, du bist so anstrengend.« Dabei wäre sie selbst ein Großabnehmer für jede Art von Beruhigungsmitteln. Beim Sport zappelt sie schon rum, bevor die Musik überhaupt angeht. Unter der Dusche ist sie so hektisch, dass ihr immer alles runterfällt und andere duschende Frauen genervt und ungewaschen aus dem Waschraum flüchten. Aber ich soll anstrengend sein.
    Fräulein Krise dagegen erträgt meine Stresserei mit einer bewundernswert stoischen inneren Ruhe. Sie ist wie Buddha. So will ich auch sein. Zu ihr sagt bestimmt kein Schüler: »Chillen Sie mal!«
    Ich bringe so eine Hektik ins Lehrerzimmer, dass ich mich wundere, dass sich da überhaupt noch jemand entspannen kann. Vielleicht sollte ich mich wie mein Kollege in den Pausen in meinen Raum einschließen und mich auf die Tische legen. Aber da käme ich mir auch komisch bei vor. Einfach so rumliegen ist ja auch langweilig. Da ziehe ich doch die schnelle Einnahme von beruhigenden Mitteln vor. Kann jemand Ritalin besorgen? Oder ist das am Ende schon das Klimakterium?
    Mit Schrecken habe ich festgestellt, dass wir auch noch einen Wandertag haben. Fräulein Krise hatte eine tolle Idee für ihren letzten Tag außer Haus. Sie ist mit ihrer garstigen Klasse zu einem Flughafen gewandert und hat sich mit den Schülern ganz nah ans Rollfeld gestellt. Dorthin, wo die Flugzeuge landen. Dann mussten die Schüler den Krach aushalten. Nett. Machen die bestimmt nicht in ihrer Freizeit, und daran werden sie sich noch lange erinnern. Überhaupt sind doch die Wandertage und die Klassenfahrten – wenn man das Glück hat, eine zu machen – die einzigen Ereignisse, an die sich die Schüler später noch erinnern werden.
    In meiner Klasse heißt es immer: »Voll schööön, voll gemütlich – picknicken, grillen, frühstücken.« Meine Schüler wollen es sich immer gemütlich machen. An Wandertagen oder am letzten Schultag habe ich ja auch nichts dagegen, aber im Unterricht kann ich auf ihre gemütliche Lass-ma-chill’n-Art echt verzichten.
    Muttertränen
    Abduls Mutter kam heute mal wieder zum Gespräch. Die Tanten-Cousine-Übersetzerin war auch wieder dabei. Als ich die beiden sah, freute ich mich richtig, als würde ich alte Freundinnen treffen.
    Abduls Noten sind sehr schlecht. Alle sind sehr überrascht. Vor allem Abdul: »Äh, in Bio eine Fünf und in Musik auch?«
    Zur Unterstützung habe ich Frau Schwalle mitgenommen. Sie legt gleich los: »Ich glaube, mit dem Jungen stimmt was nicht, den müssen Sie mal testen lassen.«
    Ich zische ihr zu, dass sie ein wenig runterfahren soll, denn die beiden Frauen sind sichtlich geschockt. Abdul ist meiner Meinung nach völlig intakt, nur leider stinkend faul. Nun bekommt er die Quittung dafür. Dachte er, er kommt damit durch? Dachte er, wir

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