Chill mal, Frau Freitag
macht das mit unseren Lehrkörpern? Gegen den Arsch einer 16-Jährigen hätte ich ja nichts einzuwenden, aber warum bekomme ich nur deren Pickel? Halt, stimmt nicht, die Stimmungsschwankungen scheinen auch ansteckend zu sein. Super, den Müll, den dürfen wir haben, aber die guten Sachen …
Mein Freund sagt, das sei eine gewagte These. Aber ich meine ja gar nicht, dass meine Schüler irgendwie stärker pubertieren als andere, ich frage mich ja nur, ob ihr Pubertieren auch mich körperlich verändert?
Wie auch immer, Lehrerin ist schon ein krasser Job. Da ist man sein ganzes Berufsleben immer mit Personen zusammen, die sich in einem körperlichen und seelischen Ausnahmezustand befinden, und denen soll man dann auch noch was Sinnvolles beibringen. Wenn sie dann endlich normal werden, sind sie schon längst raus aus dem Schulsystem, kommen uns als vernünftige junge Erwachsene in der Schule besuchen und bedauern, dass sie damals nicht auf uns gehört und im Unterricht besser aufgepasst haben. Ich höre schon Frau Dienstag sagen: »Das ist halt unser Job.« Und Fräulein Krise: »Frau Freitag, das habe ich dir doch schon tausend Mal gesagt.«
Kann alles sein, aber ich finde es trotzdem immer wieder bemerkenswert und irgendwie auch ganz schön hart. Und außerdem frage ich mich schon die ganze Zeit: Wann kommen eigentlich die Herbstferien?
Wenn es nicht bald eine Pause gibt, kann ich für nichts mehr garantieren. Zumindest nicht für regelmäßig stattfindenden Unterricht. Oder ich muss eine Gefahrenzulage beantragen, denn das Lehrerleben ist schon gefährlich, da schwebt noch vor dem Burn-out immer der Bandscheibenvorfall über einem, von Hörsturz und Stimmbandknötchen mal ganz abgesehen. Ich könnte noch stundenlang weiterjammern – macht irgendwie auch Spaß, wenn man erst mal so drin ist.
Mit den richtigen Leidensgeschichten kann man auch im Lehrerzimmer neue Freunde finden. Warum sperre ich mich eigentlich immer so dagegen, mir die Krankheiten meiner Kollegen anzuhören? Vielleicht sollte ich ihnen auch mal die Chance geben, mich und meine Wirbelsäulenverkrümmung besser kennenzulernen. Meine angeborene Legasthenie kann ich sowieso nur bedingt verstecken (Lipgloss und neue Rechtschreibung = maßlos überschätzt).
Ein Freund sagte mal auf die Frage, was für ihn denn der Sinn des Lebens sei: »Leeeiiiden!«, und machte dabei auf meiner Couch einen Purzelbaum rückwärts. Ach, apropos: Fräulein Krise hat ihre Schüler mal gefragt, was ein Purzelbaum sei. Wussten sie nicht. »Baum für Katzen?« Ist vielleicht auch ein Wort, das aussterben wird.
Man sagt doch auch, dass die Schüler heute nicht mehr rückwärtslaufen können. Aber das stimmt nicht, ich habe schon oft in einer neuen Lerngruppe erzählt, dass Wissenschaftler ihnen nicht zutrauen, andersrum zu gehen. Wir probieren das dann immer gleich aus, und bisher ist dabei noch keiner gestürzt.
Ich möchte deshalb eine neue These aufstellen: Ich behaupte, dass es in den meisten Kollegien nur wenige bis gar keine Lehrer gibt, die einen Purzelbaum vorwärts und rückwärts machen können – und das, obwohl viele am Leiden so großen Gefallen finden.
Professionelle Unlogik
Ich mache lieber dreckig als sauber.
Man kann doch auch aus der Flasche trinken.
Warum einen Teller schmutzig machen, aus dem Topf schmeckt es doch genauso gut.
Mülltrennung, pah, wird doch nachher sowieso alles wieder zusammengekippt.
So inkonsequent ist Frau Freitag zu Hause. Aber wehe, die lieben Schüler springen auf diesen Zug auf:
Warum sollen wir das abschreiben? Kopieren Sie’s uns doch einfach.
Sagen Sie uns doch schnell die Antwort. Sie wissen die doch.
Ist so heiß, lassen Sie uns doch einfach früher gehen.
Können wir die Arbeit nicht nach den Ferien schreiben?
Nachher wird sowieso gefegt, wozu gibt es schließlich Putzfrauen?
Können wir die Bücher nicht hier lassen?
Jetzt haben wir das Buch vier Stunden nicht gebraucht, da habe ich es heute gar nicht erst mitgebracht.
Wir haben doch heute nur drei Stunden, da brauche ich keine Schulsachen.
Und die schönste Schülerlogik:
Ich schwöre, ich werde mich verbessern. Werden Sie sehen!
Den ganzen Nachhauseweg rege ich mich über die Schüler auf, diese faulen kleinen Biester! Aber wenn ich dann im Wohnzimmer wieder auf der Couch liege, denke ich bloß: Aschenbecherausleeren – total überbewertet.
4.
Nach den Herbstferien
Ich hab Sie sooo vermisst. Sie mich auch?
Komisch, heute war ich zum ersten Mal nach den Ferien
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