Chill mal, Frau Freitag
wieder in der Schule. Kam mir ganz ungewohnt vor. Ungewohnt, aber irgendwie auch ganz nett. Gestern noch schlecht gelaunt und dann heute ganz beschwingt-vergnügt nach Hause gekommen. Die Kundschaft war auch in Ordnung.
Begrüßt von Esra: »Ich hab Sie sooo vermisst. Sie mich auch?« Ich war froh, mich an ihren Namen zu erinnern. Aber schon nach ein paar Minuten war alles wie immer. Ich zappelte da vorne meine Performance runter, und die Schüler holten widerwillig und in extremer Zeitlupe ihr Papier raus, um noch eine Viertelstunde nach ‘nem Stift zu suchen, dann die Aufgaben nicht zu kapieren, Löcher in die Luft zu starren und am Ende auch nicht in der Lage zu sein, die Lösungen von der Tafel abzuschreiben. Aber beim Klingeln die Ersten auf’m Hof sein – business as usual.
Später am Vormittag einer der seltenen Glücksmomente des Lehrerdaseins: die perfekte Stille. Alle Schüler arbeiten konzentriert und absolut leise vor sich hin. Ich empfinde einen Anflug von Frieden. Früher hätte ich gedacht: Jetzt hab ich’s. Jetzt wird es immer so. Jetzt ist alles perfekt. Heute weiß ich, dass es nächste Woche wieder katastrophal sein kann. Woran das liegt – keine Ahnung. Man steckt ja zum Glück nicht drin, in den Schülern.
Dann irgendwann im Lehrerzimmer: Kaffee – und heute steht da Kuchen! Alle stürzen sich darauf, einige nuscheln pflichtbewusst: »Wer hat denn Geburtstag?« Allgemeines Geschnatter: »Ach, hallo, warst du wieder da, wo du immer hinfährst?« – »Ja, ach, war schön, is immer schön da.« – »Klar, zu kurz.« – »Ach, wem sagste das? Muss ja, muss ja, muss ja …« Es klingelt: »Die Pflicht ruft.« – »Auf in den Kampf.« – »Dann woll’n wir mal.«
Und wir haben einen neuen Kollegen. Einen jungen Mann. Der ist nicht gerade der Idealtyp von Lehrer, den ich mir für unsere Schüler vorstelle. Er hat keine Spannkraft. Gebeugte Haltung, seine Stimme ist leise und bricht manchmal weg. Seine Haare – kein erkennbarer Schnitt und leicht ungewaschen. Von Mode versteht oder hält er wohl gar nichts. Und dann kommt er auch noch mit einem Rucksack! Ich gebe ihm drei Wochen, dann heult er im Lehrerzimmer. In zwei Wochen wird er wie wild Tadel verteilen und das Keinen-Unterricht-machen-Können auf die Schüler schieben. Hoffentlich irre ich mich, aber eigentlich kenne ich die Schüler zu gut.
Ich rieche, also bin ich
Im Arbeitsalltag gibt es ohne Ende Action, der ist voll von Interaktion. Interaction, sozusagen. Ich könnte nie Heimarbeit machen, denn ich brauche immer Leute um mich. Wenn man an einer Schule arbeitet, dann hat man ja den ganzen Tag mit Menschen zu tun. In jeder Stunde halten sich übermäßig viele Schüler in relativ kleinen, zum Teil überhitzten Räumen auf. Wenn man die Schüler dazu noch mit schwierigen Arbeitsaufträgen oder sogar mit einer Klassenarbeit schockt, kommen sie ins Schwitzen. Und manche schwitzen echt doll und fangen an zu stinken.
Ich bemerke das zum Beispiel, wenn ich während eines Tests wachsam durch die Klasse gehe und stichpunktartig die Federtaschen kontrolliere. Einen anderen Platz für Spickzettel findet die heutige Schülergeneration wohl nicht mehr. Jedenfalls stinkt der eine oder die andere wirklich heftig nach Schweiß. Und das nicht nur manchmal. Ein Stinker stinkt eigentlich immer. Ganz schlimm sind die Stunden, wenn die Schüler vorher Sport hatten. Ich war noch nie dabei, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass auch nur ein Schüler unserer Schule nach der Sportstunde duscht. Man wäre unter Umständen nackt. Die meisten haben ja noch nicht mal Sportzeug, sondern machen in ihren normalen Sachen mit und kommen dann mit hochrotem Gesicht und völlig verschwitzt zu mir in den Unterricht. Da hilft auch kein Lüften mehr.
Schön ist auch, wenn sie anfangen, dem beißenden Schweißgestank die Duftnote eines billigen Männersprühdeos beizumischen. Das Benutzen von Deo und Parfum steht in meinem Unterricht unter Höchststrafe. Ich kann mit Kaugummis, Zuspätkommen, Renitenz und sogar mit leichter Gewalt leben, wenn aber irgendwas gesprüht wird, dann flippe ich aus. Ich schreie sofort was von Allergien, Kopfschmerzen und Körperverletzung und drohe mit Anzeigen. Deshalb hält sich der Gebrauch dieser Art von Körperpflegeprodukten in meinem Unterricht in Grenzen.
Kann jemand den jungen Herren vielleicht mal erklären, dass der Axe-Effekt nur funktionieren kann, wenn man sich vorher wäscht? Waschen scheint sich
Weitere Kostenlose Bücher