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Chimaeren

Chimaeren

Titel: Chimaeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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schreckte jeden potentiellen Feind ab. Niemand kam ihnen zu nahe. Und wenn doch einmal, bereute er es.
    Nachdenklich wandte Leywin sich ab und kehrte zum Wachhäuschen zurück.
    Die Unruhe unter den Tieren schien sich etwas gelegt zu haben. Eine Ursache hatte er nicht entdecken können. Vielleicht schlug das Wetter um. Menschen hatten das Gespür für die Wechsel der Natur verloren. Was das anging, waren ihnen die Kreaturen weit überlegen .
    Leywin öffnete die Tür und trat in den kleinen Raum. Die Überwachungsschirme streuten weißes Licht über das Mobiliar. Das übliche leise Summen lag in der Luft. Leywin hakte die Lampe wieder an den Gürtel und wollte sich auf seinen Stuhl fallen lassen.
    Wollte.
    Bis er bemerkte, was geschehen war. Was sich seit Verlassen des Häuschens verändert hatte.
    Jemand war hier gewesen!
    Aber wer?
    Leywins Gedanken verwehten. Er war nicht mehr in der Lage, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf die beiden Gegenstände, die jemand in seiner Abwesenheit auf den Tisch gestellt hatte, an dem er die meiste Zeit seiner Schicht saß und die Zeit mit Lesen oder Radiohören totschlug.
    Ein Uneingeweihter hätte meinen können, jemand habe es beson-ders gut mit Leywin gemeint. Aus seiner Sicht verhielt es sich anders. Grausamer.
    Er merkte gar nicht, wie das schwache Zittern, das ihn auf jedem Schritt begleitete, plötzlich in Zuckungen ausartete, die einen zufällig Anwesenden erschreckt hätten.
    Langsam ging er auf den Tisch zu. Er wollte es nicht, und wäre die »Aufmerksamkeit« verschlossen gewesen, hätte er vielleicht widerstehen können.
    Doch neben der offenen Flasche stand ein randvoll eingeschenktes Glas mit bernsteinfarbenem, verführerischem Inhalt. Es zog Leywins Hand wie magisch an.
    Das hat mir der Teufel hingestellt, war sein letzter Gedanke, ehe er den Rand des Glases an die Lippen setzte.
    Er tröstete sich damit, daß er es ohnehin nicht auf Dauer geschafft hätte.
    Dann eröffnete er den lustigen Teil der Nacht.
    *
    »Was macht dich so sicher, daß es funktioniert? Er könnte es genauso gut in den Ausguß leeren .«
    »So kann nur einer reden, der meinen Vater nicht kennt!« Craig Leywin zog mürrisch die Nase hoch und versetzte Sailor einen Schlag auf den Rücken. Der Sohn aus reichem Hause schrie unterdrückt auf und versuchte Craig von sich wegzustoßen.
    »Hört auf, ihr Blödmänner!« zischte Pierce ihnen zu. Er war mit Schmuck behängt wie ein Weihnachtsbaum. Jedes Ohr war ein halbes Dutzend Mal durchstochen, dazu Brauen, Nase und Zunge. Seine Kleidung verhüllte, daß er auch Brustwarzen, Bauchnabel und den Hodensack gepierct hatte. »Wollt ihr alles versauen?«
    »Keine Sorge«, beruhigte Craig den schmerzversessenen Kumpel. »Er kann uns nicht hören. Die Scheiben sind dick. Und seht euch nur an, wie er vor der Flasche steht. Wie das hypnotisierte Kaninchen vor der Schlange. Den können wir abhaken.
    Los, weiter! Ich weiß, wo wir das Spielzeug finden, nach dem wir suchen! Oder geht euch plötzlich die Muffe? Wollt ihr kneifen?«
    »Heb dir den großmäuligen Helden auf, bis wir anfangen«, fauchte Pierce und schabte versonnen mit der Perle in seinem Mund gegen die Unterseite der oberen Zähne.
    Der Zufall hatte sie zusammengewürfelt. In einem Schuppen, den sie alle drei regelmäßig besuchten. So unterschiedlich sie waren, eines war ihnen allen dreien gemeinsam: Sie wußten nicht wohin mit ihren überschüssigen Energien. Sie waren keine Typen, auf die die Weiber standen, gingen keinem Streit aus dem Weg und waren darüber hinaus notorisch pleite.
    Aus purer Langeweile zettelten sie Schlägereien an, selbst wenn sie daraus als Verlierer hervorgingen. Sie prügelten ohne Sinn und Verstand, klauten alten Omas die Handtaschen oder begingen Einbrüche.
    Jeder von ihnen war schon mal erwischt worden. Und bei allen waren die Urteile zur Bewährung ausgesetzt worden.
    Sie wußten, daß sie auf der Kippe standen. Sie wußten, daß die rasende Talfahrt beginnen würde, wenn sie sich nur noch ein einziges Mal etwas zuschulden kommen lassen würden .
    Es war ihnen egal.
    Nein, ganz egal war es ihnen auch nicht: Sie hielten sich einfach für schlauer als das System. Sie waren überzeugt, es nur clever genug einfädeln zu müssen, um sich alles erlauben zu können.
    Eine Weile beobachteten sie noch, wie dankbar Craigs Vater mit seinem Geschenk umging. Dann schlichen sie zügig in Richtung des Gebäudes, von dem sie sich den größten Unterhaltungswert

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