Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chimaeren

Chimaeren

Titel: Chimaeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
Eingang zum Schlangenhaus inne, weil Leywin selbst daraus ein aufgeregtes, aber von den Mauern gedämpftes Fauchen zu hören meinte. Er war nicht sicher. Vielleicht narrten ihn seine Sinne. Vielleicht gaukelten sie ihm Dinge vor, die gar nicht existierten. Vielleicht - - bildete er sich die ganze Aufregung nur ein!
    Das wäre ein gefundenes Fressen für euch, dachte er und ließ die Gesichter seiner Kollegen, seiner Frau und seines Sohnes Revue vor seinem geistigen Auge passieren. Wenn ich mir auch diesen Job wieder versauen würde.
    Er hatte keine Freunde. Keinen einzigen. Früher, aber das war schon unendlich lange her, war das anders gewesen. Der Alkohol hatte sie verjagt, und am Ende war ihm als einziger Freund die Flasche geblieben.
    Das ist vorbei. Hölle, ich bin seit einem halben Jahr trocken und gehe jeder Versuchung aus dem Weg! Ich werd's allen zeigen! Ich bin kein Versager. Ich krieg mein Leben wieder in den Griff!
    Der Anfang war gemacht, Leywin fühlte sich - abgesehen von den Panikattacken und Anflügen von Verfolgungswahn - hier wohler als in jedem Job davor. Man ließ ihn in Ruhe, er brauchte sich nicht zu verstellen, weil ihn in der Regel niemand zu Gesicht bekam, und außerdem war er schon immer mit einem Minimum an Schlaf ausgekommen. Idealere Bedingungen würde er nirgends mehr finden Verunsichert setzte er seine Runde fort. Auf den Überwachungsmonitoren, die Einblicke in die Stallungen der wichtigsten und sensibelsten Tierarten gewährten, waren keine Anzeichen außergewöhnlicher Unruhe zu erkennen gewesen. Nur hier draußen im Freien, beim Gang an den Gehegen, Bassins und Käfigen vorbei, wurde Leywins Instinkt regelrecht mit Warnsignalen bombardiert.
    Irgend etwas stimmt nicht. Irgend etwas geht hier vor ...
    »Idiot!« beschimpfte er sich selbst. Selbst im größten Suff hatte er nie weiße Mäuse gesehen. Aber seit er abstinent lebte, häuften sich die Momente, da er das Gefühl hatte, aus der Realität herauszufallen. In bodenlose Tiefen zu stürzen.
    Sein Therapeut betete Durchhalteparolen herunter und nannte diese Übergangsphase »normal«. In ein paar Wochen würde er drüber weg sein ...
    ... aber jeder Tag, jede Stunde war eine nicht enden wollende Marter!
    Sehen Sie mögliche Verführungen voraus, hatte der Doc ihm geraten. Wenn eine Spirituosenwerbung im Fernsehen läuft, schalten Sie um, bevor sie fatale Sehnsüchte in Ihnen weckt. Wenn Sie in Illustrierten blättern, ignorieren Sie die Hochglanzfotos, die Bier, Wein oder Hochprozentiges anpreisen. Meiden Sie einschlägige Schaufenster ...
    Leywin kannte jeden Tip.
    Besser fühlte er sich deshalb nicht.
    Sobald der Gedanke auf Alkohol kam, zog er die Bremse - es tat verdammt weh. Aber bislang hatte er immer die Kurve gekriegt.
    Er zündete sich eine neue Zigarette an. Während das Streichholz brannte, stellte sich Leywin vor, daß ein geheimer Beobachter wegen des wächsernen Gesichts dahinter wahrscheinlich erschrocken wäre.
    Ich sehe aus wie der leibhaftige Tod. Wie ausgekotzt...
    Er hatte überlegt, sich scheiden zu lassen. Seiner Frau zuliebe. Sie erstickte in seiner Nähe. Sie verkümmerte wie ein Pflänzchen, dem man dauerhaft die Sonne entzogen hatte. Auch jetzt rutschte ihm manchmal noch die Hand aus.
    Die Reue kam immer erst hinterher. Genau wie die guten Vorsätze, die vergessen waren, sobald er die Füße daheim über die Schwelle setzte.
    Ich bin ein Ungeheuer, dachte Leywin. Für Freda bin ich nicht mehr als ein wildes Tier, das über sie herfällt, wann immer es seine Aggressionen abreagieren muß.
    Er verstand, daß sie sich vor ihm ekelte. Er verstand, daß sie weinte, wenn er sich zu ihr legte und gar nicht erst fragte, ob sie es auch wollte.
    Es hinderte ihn nicht, das Familienmonster zu sein.
    Was zwischen ihnen zerbrochen war, war nicht mehr zu kitten!
    Großer Gott...
    Er versuchte die Gedanken wegzuschieben.
    Kurz bevor er seine Runde beendete, steuerte Leywin auf eine Umzäunung zu, hinter der sich seine persönlichen Lieblinge aufhiel-ten. Der Lichtstrahl wanderte suchend über den braunen Boden, bis er einen von ihnen erfaßte. Der Echidna erstarrte einen Augenblick lang zur völligen Regungslosigkeit. Dann verwandelte er sich in einen stacheligen Blitz, der sich binnen Sekunden ins Erdreich wühlte und jedem Blick entzog!
    Leywin lächelte matt. Er beneidete die armlangen Schnabeligel, von denen sich ein Dutzend dieses Revier teilten. Sie ernährten sich von Ameisen und Termiten, und ihr Stachelpanzer

Weitere Kostenlose Bücher