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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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bloß von relativer Autorität. Hinter den im 8. Jh. begonnenen Wallanlagen des «Danewerk» (zwischen Eider und Schlei) hielten sie Distanz zum Frankenreich und duldeten bestenfalls die sporadischen Missionsbemühungen Ansgars und anderer, ohne selbst einer Taufe näherzutreten. Einen entsprechenden Eindruck vermittelt auch der um 830 in der Vita Ansgars genannte König der «Sveonen» (Schweden) in der Gegend des Mälarsees (westlich des heutigen Stockholm) mit einer regionalen Herrschaft, deren Reichweite und Substanz ungewiß bleibt[ 70 ]. Vermutlich ist es nicht allein ein Quellenproblem, daß gegen Ende des 9. Jhs. alle Nachrichten über nordische Könige versiegen und im 10. Jh., abgesehen von Harald, völlig andere Namen auftauchen als in der Zeit davor.
    Zu europäischer Bedeutung sind die Nordgermanen im 9. Jh. nicht durch die Entwicklungen in der Heimat gelangt, sondern durch ihre bewaffneten Vorstöße über See, mit denen sie als «Wikinger» (d.h. Piraten) weite Teile des Kontinents in Angst und Schrecken versetzten. Dabei handelte es sich nicht (was den Franken zu begreifen schwer fiel) um Kriege heidnischer Könige und Völker des Nordens gegen christliche Reiche weiter südlich, sondern um gewissermaßen private Expeditionen wagemutiger Anführer aus der skandinavischen Führungsschicht, die von Abenteuer- undBeutelust getrieben waren, mitunter auch als Verlierer interner Machtkämpfe das Weite suchten und erst mit der Zeit den Gewinn von Siedlungsland für sich und ihren Anhang anstrebten. Auf schnellen Schiffen, die nicht bloß mit Rudern zu bewegen waren, sondern durch den Gebrauch von Segeln eine gesteigerte Reichweite aufwiesen, begannen sie seit den letzten Jahren des 8. Jhs. mit Attacken auf vorgelagerte Inseln und ungeschützte Küstenplätze in England, Irland sowie im Westen des Frankenreiches, wo sie stets die Überraschung der Angegriffenen nutzten, um sich Gold, Silber und andere Wertsachen anzueignen, vor allem aber Gefangene, die sie als Sklaven verkaufen oder gegen Lösegeld freigeben konnten. Seit den 30er Jahren des 9. Jhs. (kaum zufällig in der Herrschaftskrise Ludwigs des Frommen) häuften und verstärkten sich solche Überfälle, die im Süden Englands und in Westfranken mehr von Dänen, im englischen Norden, in Schottland, Irland und auf den nördlichen Inseln (Hebriden, Orkneys, Färöer) mehr von Norwegern unternommen wurden. Besonders gefährdet waren Kirchen, Klöster und offene Handelsplätze, die reiche Beute versprachen, vor allem seitdem die Wikinger gelernt hatten, von den Flußmündungen her auch ins Binnenland einzudringen und sich winterfeste Stützpunkte zu schaffen, von denen aus die Plünderung ganzer Landstriche möglich wurde. Da sie von den Franken mit herkömmlichen militärischen Mitteln nur schwer zu bezwingen waren, konzentrierte sich die Gegenwehr auf den Bau von Befestigungen und die Anlage von Sperrwerken an Flußläufen, doch blieb häufig nichts anderes übrig, als durch Zahlung von Tributen den Feinden zu geben, was sie sich sonst mit Gewalt geholt hätten.
    Bald nach der Mitte des 9. Jhs. gingen die «Nordleute» dazu über, gar nicht mehr in ihre Heimat zurückzukehren, sondern sich in Westeuropa dauerhafte Räume eigener Siedlung und Herrschaft zu erkämpfen, was durchaus an die Völkerwanderung des 5./6. Jhs. erinnert. So wurde Dublin, eine normannische Gründung an der Ostküste Irlands, seit 853 zum Zentrum eines maritimen Reiches, das sich von der Insel Man über Teile Schottlands bis zu den Orkneys erstreckte und keltischen Königen im Inneren IrlandsTribute abnötigte. In England okkupierten die Wikinger Northumbrien, Ostanglien sowie Teile von Mercien und machten das 866 eroberte York zur Hauptstadt ihres «Danelag», das ein Gebiet eigenen, dänischen Rechts wurde. Beim Ringen mit den Angelsachsen wuchsen seit 865 verschiedene normannische Gruppen zum «Großen Heer» zusammen, das auch offenen Feldschlachten gewachsen war. Als dennoch bis 878 die Unterwerfung von Wessex mißlang, setzten starke Kräfte auf das fränkische Festland über, wo schon 841 Friesland und das Rheinmündungsgebiet dänischen Wikingern überlassen worden waren (bis 885). Südlich davon, im heutigen Belgien, ließen sich die Normannen 879 zu Plünderungszügen in weitem Umkreis nieder. Kaiser Karl III., der sie dort 882 mit eigenen Leuten einschloß, traute sich, als es darauf ankam, den Kampf nicht zu, sondern gewährte ihnen Abzug samt einem Tribut. Die

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