Christine Feehan - Karpatianer 13 - Dunkler Ruf des Schicksals
allein zu sein. MaryAnn strahlte unglaublich viel Wärme und Trost aus. »Das ist keine große Sache, nur Geld. Sie leisten die ganze Arbeit. Ich bin froh, wenn ich ein bisschen dazu beitragen kann.«
»Kommen Sie mit zu mir«, schlug MaryAnn vor. »Ich koche uns einen Tee, und wir unterhalten uns.« Als Destiny nichts darauf erwiderte, seufzte MaryAnn leise. »Sagen Sie mir wenigstens, wie Sie heißen. Ich spüre oft Ihre Nähe und betrachte Sie als Freundin. Was ist schon dabei, mir Ihren Namen zu verraten?«
»Ich möchte nicht, dass Sie mit der Hässlichkeit meines Lebens in Berührung kommen«, gestand Destiny leise. Die Nacht hüllte sie schützend ein und sprach leise zu ihr, sodass Destiny trotz ihrer Entschlossenheit, nichts Gutes sehen zu wollen, ihre Schönheit wahrnahm.
»Ich habe keine Angst vor den hässlichen Seiten des Lebens«, entgegnete MaryAnn. »Ich habe sie schon früher gesehen und werde sie wieder sehen. Niemand sollte ganz allein in der Welt stehen. Wir alle brauchen irgendjemanden, auch Sie.«
»Sie machen es mir nicht leicht.« Die Worte klangen fast wie ein Schluchzen. »Sie wissen nicht, wie schlecht ich bin. Für mich gibt es keine Erlösung. Ich hätte nie zulassen dürfen, dass Ihr Leben und meines Zusammentreffen, nicht einmal einen Moment lang.«
»Ich bin sehr froh, dass Sie es zugelassen haben. Andernfalls wäre ich jetzt nicht hier, und ich habe viel, wofür es sich zu leben lohnt.«
Destiny presste eine Hand an ihren Mund und stellte beschämt fest, dass sie zitterte. »Sie sind anders als ich. Sie sind ein guter Mensch und helfen so vielen Leuten.«
MaryAnn nickte zustimmend. »Ja, das tue ich, und ohne Sie wäre ich jetzt nicht mehr in der Lage, je wieder einer Frau oder einem Kind helfen zu können. Das ist allein Ihr Verdienst. Ich hätte mich selbst nicht vor diesem Mann retten können. Ohne Sie wäre ich jetzt tot.«
»Das ist eine verdrehte Logik«, widersprach Destiny, stellte aber fest, dass trotz der Schmerzen, die sie wie ein Messer durchbohrten, ein leichtes Lächeln über ihre Lippen huschte. Sie hatte MaryAnn oft mit anderen Frauen reden hören, stets mit sanfter, verständnisvoller Stimme. MaryAnn wusste immer, was sie sagen musste, um ihre Klientinnen zu beruhigen. Dieselbe Gabe setzte sie bei Destiny ein. »Mein Name ist Destiny.« Selbst in ihren eigenen Ohren klang ihr Name seltsam, so lange war es her, seit sie ihn gehört hatte. Ihn laut auszusprechen, war beinahe beängstigend.
MaryAnn lächelte und zeigte dabei ihre schönen Zähne. Ihr Lächeln war ansteckend. »Ich freue mich so, Sie kennenzulernen! Ich bin MaryAnn.« Sie trat einen Schritt vor und streckte ihre Hand aus.
Bevor sie es verhindern konnte, nahm Destiny die dargebotene Hand. Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass sie ein menschliches Wesen berührte. Ihr Herz hämmerte schmerzhaft in ihrer Brust, und sie riss sich mit einem Ruck los und glitt in den Schatten zurück. »Ich kann das nicht«, flüsterte sie. Es war zu schmerzlich, in diese klaren Augen zu schauen und MaryAnns Wärme zu spüren. Es war leichter, allein zu sein, sich im Schatten zu verbergen und für immer ein Geschöpf der Nacht zu sein.
MaryAnn stand regungslos da, betroffen von der ungewöhnlichen Schönheit der jungen Frau, die sich im Schatten versteckte. Sie war kleiner, als MaryAnn angenommen hatte - nicht wirklich klein, jedoch auch nicht groß. Sie hatte weibliche Kurven, aber ihr Körper war straff und muskulös. Ihr Haar war eine wilde Mähne aus schwerer schwarzer Seide. Ihre Züge waren fesselnd, ihre Augen sehr groß, von langen Wimpern umrahmt, gequält und faszinierend. Sie waren von einem tiefen, strahlenden Blaugrün, und in ihnen lagen Schatten und Geheimnisse und unvorstellbarer Schmerz. Ihr Mund war schön geschwungen und einladend. Aber sie besaß mehr als körperliche Schönheit, eine undefinierbare Anziehungskraft, wie MaryAnn sie noch bei keiner anderen Frau erlebt hatte. Ihre Stimme war melodisch, geheimnisvoll, bezwingend. Und rätselhaft. Alles an Destiny war anders und unerwartet.
»Natürlich können Sie. Wir wollen uns doch nur unterhalten, Destiny. Was ist schon dabei? Ich habe mich heute Abend ein bisschen einsam gefühlt, und ich wusste, dass ich Sie sehen muss.« MaryAnn trat einen Schritt näher an den Schatten heran, in dem sich Destiny verbarg. Sie wünschte inständig, sie könnte irgendwie die furchtbare Verzweiflung auf diesem schönen Gesicht lindem. Sie hatte in ihrem
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