Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis
Kleidung zu klopfen. Sie wischte seine Hand ärgerlich zur Seite. Während er den Schlitten auf die Kufen kippte und sich daranmachte, den Hunden die Geschirre anzulegen, versuchte sie mit verbissener Miene einige Schritte, stolperte bei jeder unbedachten Bewegung und ahnte, dass es einige Zeit dauern würde, bis sie sich an das seltsame Schuhwerk gewöhnt hatte. Auf den geflochtenen Tellerschuhen das Gleichgewicht zu halten, war schwieriger, als sie gedacht hatte. Sogar für eine Frau wie sie, die selbst bei heftigem Wind und aufgewühlter See an Bord ihres Fischkutters selten ins Wanken gekommen war.
Alex hatte die Hauptleine vor den Schlitten in den Schnee gelegt und schloss die Hunde paarweise daran an. Billy lief als Leithund vornweg, hinter ihm folgten der übermütige Smoky und die ruhige Cloud, dann Rick und Waco, beide jung und schnell, und hinten die kräftigen Buffalo und Chilco. »Ist ganz einfach«, erklärte Alex, »man klinkt sie an die Leinen, die seitlich von der Hauptleine abgehen, und schon kann es losgehen. Aber achten Sie darauf, dass Sie den Leithund zuerst festmachen, sonst entsteht leicht ein Chaos.«
Clarissa sah, wie sich der junge Smoky ungeduldig in seinem Geschirr streckte, und beugte sich lächelnd zu ihm hinab. »Du kannst es wohl gar nicht mehr erwarten, was? Als ob es nichts Schöneres gäbe, als sich durch haushohe Schneedünen zu graben.« Sie kraulte ihm aufmunternd den Nacken. »Aber treib’s nicht zu toll, Smoky, hörst du? Sonst geht dir später die Puste aus. In der Ruhe liegt die Kraft, sagte mein Großvater immer.« Das war zwar gelogen, sie hatte den Spruch irgendwo gelesen, aber er traf den Nagel auf den Kopf, und sie benutzte ihn gerne. Nur wer sich seine Kräfte einteilte, erreichte sein Ziel, auf hoher See und wahrscheinlich auch in den Bergen.
Doch der anstrengende Marsch zum Waldrand zwang sie bereits während der ersten hundert Schritte, an die Grenzen ihrer Kraft zu gehen. So anstrengend hatte sie sich das Ebnen des Trails nicht vorgestellt. Sie war körperliche Arbeit gewöhnt, hatte an Bord ihres Fischkutters häufiger die Pflichten eines Mannes übernommen und war mehr als einmal in einem Sturm gezwungen gewesen, mit beiden Händen zuzupacken. Nach ihrer Rückkehr in den Hafen war sie oft am Ende ihrer Kräfte gewesen, aber niemals so erschöpft wie während dieses mühsamen Marsches durch den hohen Schnee.
Auch mit den Schneeschuhen sank sie bei jedem Schritt tief ein, und es kostete sie große Mühe, ihr Gleichgewicht zu halten, den Fuß mit dem zweiten Schuh nachzuziehen und einen weiteren Schritt nach vorn zu tun. Eine falsche Bewegung, und sie würde seitlich in den Schnee stürzen oder sogar einen Abhang hinunterrollen und hilflos wie vor ihrem Marsch auf dem Rücken liegen bleiben. Wie eine Seiltänzerin, beide Arme ausgestreckt, hielt sie sich aufrecht, angestrengt darum bemüht, vor Alex keine Schwäche zu zeigen. Sie hatte den Mund zu voll genommen, das erkannte sie inzwischen auch, und sie fragte sich bereits, warum sie auf sein Angebot nicht eingegangen war. Wie bequem wäre es, in eine Decke gewickelt auf dem Schlitten zu sitzen, ihm bei der Arbeit zuzusehen und die Fahrt zu genießen. Niemals, schwor sie sich im gleichen Augenblick, diese Genugtuung gönne ich ihm nicht. Ich bin keine verwöhnte Lady aus der Stadt. Ich bin die Tochter eines Fischers und anstrengende Arbeit gewöhnt. Ich gebe niemals klein bei!
Doch ihr entging natürlich nicht, wie Alex sie bei jedem Schritt aufmerksam beobachtete und sehr genau darauf achtete, ob sie noch über genug Reserven verfügte. Als sie in einer besonders tückischen Schneeverwehung ins Stolpern geriet und zu fallen drohte, packte er sie mit einer raschen Bewegung am Oberarm und zog sie in die Spur zurück. Weder sie noch er verloren ein Wort darüber, und sie marschierte trotzig weiter, fest entschlossen, auf dem restlichen Weg zum Waldrand so wenige Fehler wie möglich zu machen. Etwas anderes ließ ihr Stolz nicht zu. Sie war lange genug abhängig gewesen, und es wurde höchste Zeit, auf eigenen Beinen zu sthen. Selbst wenn sie einmal heiratete, würde sie sich nicht vollkommen von einem Mann abhängig machen. Ein Entschluss, der die Töchter der anderen Fischer, die schon darüber gelacht hatten, dass eine junge Frau wie sie mit ihrem Vater auf dem Kutter mitfuhr, immer erheitert hatte. »Eine Frau hat gewisse Pflichten«, hatte sie zu hören bekommen, »sie führt ihrem Mann den Haushalt, schenkt
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