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Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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sagte: »Als ich draußen war, um die Schutzlinien zu ziehen, habe ich die Gegenwart von etwas anderem gespürt. Es sind nicht nur Dämonen gewesen, sondern auch etwas Verlorenes. Suchendes.«
    »Hier gibt es Geister«, erwiderte Fin-Kedinn. »Der Mann, der ums Leben kam.«
    Flammen zuckten in Renns dunklen Augen. »Der siebte Seelenesser.«
    Fin-Kedinn schwieg.
    Ein glühendes Stück Kohle zerfiel in einem Funkenregen. Torak zuckte zusammen. »Warst du damals auch hier?«, fragte er.
    »Nein«. Fin-Kedinns Gesicht krampfte sich vor Schmerz zusammen, aber Torak glaubte nicht, dass es an den gebrochenen Rippen lag. »Nach dem großen Feuer«, fuhr der Rabenhüter fort,» haben mich deine Eltern aufgesucht. Sie baten mich, ihnen bei der Flucht zu helfen.«
    Renn legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du musst dich ausruhen. Du darfst nicht so viel reden.«
    »Nein! Ich muss ihm das erzählen!« Fin-Kedinns Stimme klang überraschend kräftig. Seine blauen Augen musterten Torak durchdringend. »Ich war wütend. Ich wollte mich rächen, weil – weil er deine Mutter zur Gefährtin genommen hatte. Ich weigerte mich, den beiden zu helfen.«
    Torak hörte das Klackern von Rabenkrallen auf den Steinen. Er sah seinen Ziehvater an und wünschte, das alles sei nicht wahr, obgleich er genau wusste, dass Fin-Kedinn nicht log.
    »Am nächsten Tag«, sagte Fin-Kedinn, »tat es mir leid. Ich wollte zu ihnen gehen, aber sie waren bereits aufgebrochen und in den Großen Wald geflohen.« Er schloss die Augen. »Ich habe die beiden nie wieder gesehen. Hätte ich ihnen damals geholfen, wären sie vielleicht noch am Leben.«
    Torak strich ihm tröstend über die Hand. »Du konntest nicht wissen, was passieren würde.«
    Der Anführer der Raben lächelte bitter. »Das redet man sich hinterher gerne ein. Aber hilft es?«
    Wolf sprang knurrend auf und setzte hinter einer Beute her, die nur er witterte. Ein weiteres glühendes Holzstück rutschte knisternd zur Seite und Torak schob es mit dem Stiefel zurück. Das Licht schien plötzlich nur noch ein sehr dürftiger Schutz vor der Dunkelheit zu sein.
    »Sorgt dafür, dass das Feuer nicht ausgeht«, sagte Fin-Kedinn. »Schlaft nicht ein. Dämonen. Geister. Sie wissen, dass wir hier sind.«

    Die Auserwählte sieht zu, wie die Ungläubigen schlafen. Sie sehnt sich danach, sie zu bestrafen und das Feuer zu befreien.
    Das Mädchen hat das Feuer auf die falsche Weise und ohne den nötigen Respekt aufgeweckt. Sie ist eine Ungläubige, sie folgt nicht dem Wahren Weg.
    Der Junge hat einen Ast ins Feuer geworfen und mit dem Fuß danach getreten. Auch er hat den Wahren Weg verlassen.
    Der Gebieter soll davon erfahren. Der Gebieter ehrt das Feuer und das Feuer ehrt den Gebieter. Er wird die Ungläubigen bestrafen.
    Das Feuer ist heilig. Man muss es ehren, denn es ist rein und wahr. Die Auserwählte liebt das Feuer wegen seines schrecklich hellen Scheins und seiner unersättlichen Gier nach dem Wald, seiner grausamen Liebkosung. Die Auserwählte sehnt sich danach, wieder eins mit dem Feuer zu werden .
    Der Wind dreht und die Auserwählte sitzt zusammengekauert im Hauch des Feuers, trinkt den geweihten, bitteren Dunst. Die Auserwählte birgt Asche in ihrer Hand. Asche, die auf der Zunge sauer schmeckt und schwer im Magen liegt. Das ist die Macht und die Wahrheit.
    Der Verletzte stöhnt in schmerzgepeinigten Träumen. Auch der Schlaf des Jungen ist unruhig. Nur das Mädchen schläft wie eine Tote. Wolf und Raben halten Wacht über sie – während das Feuer schwächer flackert. Unbehütet. Entehrt.
    Zorn flammt in der Brust der Auserwählten auf.
    Die Ungläubigen sind böse.
    Sie müssen bestraft werden.

Kapitel 8

    Torak erwachte vor dem Morgengrauen. Das Feuer war beinahe erloschen, die anderen schliefen noch. Renn lag auf der Seite, einen Arm von sich gestreckt. Fin-Kedinns Stirn war gerunzelt, als wäre sogar der Schlaf schmerzhaft. Beide sahen beunruhigend verletzlich aus.
    Leise wand sich Torak aus dem Schlafsack und kroch aus dem Unterschlupf.
    Weiter unten am Hang stellte sich ein Vielfraß auf die Hinterläufe, nahm schnuppernd Witterung auf und trabte dann in langen Sprüngen davon. Wolf befand sich demnach auf der Jagd, sonst hätte sich der Vielfraß nicht so nahe herangewagt. Torak musste unwillkürlich daran denken, was sich sonst noch alles herangewagt haben mochte.
    Im Tal des Schwarzwassers trieben dichte Nebelschleier. Der Morgengesang der Vögel erfüllte den Wald, von den Raben

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