Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)
sagte sie.
»Dieses Mal schon«, erwiderte er.
Es wurde dunkel. Die Scheibe des Mondes wanderte über den Himmel. Renn meinte, der Mond könne ihnen Trost spenden; er würde bald kräftiger aussehen, dann würden auch Fin-Kedinns Kräfte zunehmen. Torak war nicht so überzeugt davon. Ihm kam es so vor, als redete sie sich das nur mit aller Macht ein.
Während Renn Fin-Kedinn versorgte, holte Torak die Ausrüstung aus den Kanus und verwandelte mithilfe einiger Zweige den Felsvorsprung in einen notdürftigen Unterschlupf. Er ließ ein Abzugsloch für den Rauch im Geäst. In der Nähe des Flussufers hatte er ein Büschel Schwarzwurz entdeckt. Renn zerstampfte die Wurzeln zu einer Heilpaste und Torak bereitete aus den Blättern einen stärkenden Trank in einer rasch angefertigten Schale aus Birkenrinden zu. Anschließend verbanden sie gemeinsam Fin-Kedinns Rippen. Der Verband musste straff angelegt werden, damit die gebrochenen Knochen besser zusammenwuchsen. Hinterher waren sie alle drei schweißüberströmt und sehr blass.
Danach fütterte Renn das Feuer mit Wacholderzweigen und wedelte Rauch in den Unterschlupf, um die krank machenden Würmer zu vertreiben. Torak steckte einen Streifen getrocknetes Pferdefleisch in eine Felsritze, als Dank an den Wald dafür, dass sein Ziehvater überlebt hatte. Da sie beide halb verhungert waren, teilten sie sich anschließend eine Portion Trockenfleisch. Fin-Kedinn nahm nichts zu sich.
Als der Mond unterging, wurde Fin-Kedinn zusehends unruhiger. »Lasst das Feuer nicht sterben«, murmelte er. »Renn, zieh Schutzlinien um den Unterschlupf.«
Renn warf Torak einen besorgten Blick zu. Es war ein schlechtes Zeichen, wenn sich Fin-Kedinns Geist verdunkelte.
Torak hatte bemerkt, dass sich die Raben nicht zum Schlafen niedergelassen hatten, sondern wachsam zwischen den Steinen umherhüpften, während Wolf am Eingang des Unterschlupfs lag und aufmerksam in die Dunkelheit blickte. Torak beschlich das unbehagliche Gefühl, dass die Tiere Wache hielten.
Renn nahm ihren Medizinbeutel und ging hinaus, um die Schutzlinien zu ziehen.
»Bleib in der Nähe«, warnte Fin-Kedinn.
Torak legte einen Stock ins Feuer. »Du hast gesagt, dies sei ein böser Ort. Was meinst du damit?«
Fin-Kedinn sah in die zuckenden Flammen. »Hier wächst nichts mehr. Alles ist kahl, seit die Dämonen in den Fels zurückgedrängt wurden.« Er hielt inne. »Aber sie sind in der Nähe, Torak. Sie wollen heraus.«
Torak tauchte einen Brocken Tang in den Napf und kühlte die Stirn seines Ziehvaters. Renn würde bestimmt wütend auf ihn sein, wenn er Fin-Kedinn nicht am Sprechen hinderte, aber er musste es unbedingt wissen. »Sag es mir«, bat er.
Fin-Kedinn hustete und Torak stütze ihn an der Schulter. Als er wieder Atem schöpfte, lag ein bläulicher Schimmer um die Augen des Rabenanführers. »Vor vielen Sommern«, sagte er, »war dieser Hügel dicht mit Bäumen bestanden. Birken und Ebereschen wuchsen in den Spalten zwischen den Felsen und hielten die Dämonen darin zurück.« Er bewegte sich ein wenig und stöhnte vor Schmerz. »Die Nacht der Seelen. Schon lange her. Menschen kamen, um sie zu befreien.«
Renn war zurückgekehrt und kniete neben ihm nieder. »Aber die Dämonen konnten nicht heraus, oder?«, fragte sie. »Ich spüre sie unter dem Gestein, ganz nahe.«
»Ein Mann hielt sie auf«, antwortete Fin-Kedinn. »Er entfachte ein Feuer auf dem Hügel und bannte die Dämonen in die Felsen zurück. Doch das Feuer entkam.« Der Rabenhüter leckte sich die Lippen. »Entsetzlich … Es springt schneller in einen Baum als ein Luchs, und sobald es die Zweige erreicht, kann es niemand aufhalten. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schnell sich Feuer ausbreitet. Damals hat es das ganze Tal gefressen.«
Torak wurde bang ums Herz. »Wurde jemand verletzt?«
Fin-Kedinn nickte. »Die Menschen saßen in der Falle, sie erlitten schreckliche Verbrennungen. Einer von ihnen kam ums Leben.« Er verzog das Gesicht, als könne er das verkohlte Fleisch noch riechen.
Torak spähte ins Dunkel. »Ist es hier passiert?«, flüsterte er.
»Weißt du das denn nicht?«, fragte Fin-Kedinn.
Die Haare auf Toraks Armen sträubten sich. »Ist hier …«
»Ja. An diesem Ort hat dein Vater den Feueropal zerschmettert und die Macht der Seelenesser gebrochen.«
Der Schrei einer Füchsin gellte durch die Nacht. Von fern tönte das tiefe Schuhu einer Eule und Torak und Renn wechselten einen Blick. Der Ruf der Adlereule.
Renn
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