Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)
den Bogen ein. Er hörte seine Begleiter nicht mehr. Alles, was er vernahm, war das Platschen von Thiazzis Paddel, und er sah nichts anderes mehr als die rostbraune Mähne des Eichenschamanen, die im Wind flatterte. Er vergaß die Clangesetze, er vergaß alles um sich herum. Er wusste nur noch eines: Er musste Rache nehmen, um jeden Preis.
Unter ihm geriet ein Baumstamm in Bewegung. Etwas schlang sich um seinen Knöchel, von dem er sich mit einem ungeduldigen Tritt befreite. Hinter ihm ertönte ein lautes Schnalzen. Torak drehte sich um. Sein Herz wollte schier stillstehen, als er mit einem Blick die Schnur erkannte. Jemand hatte sie an einem angespitzten Pflock befestigt und dessen Ende mit Schlamm beschmiert, um das frisch zurechtgeschnittene weiße Holz zu verbergen.
Die Baumstämme fingen an zu beben. Du Idiot. Das war wieder eine Falle. Schon kamen die Stämme auf ihn zugerollt. Er schrie den anderen noch eine Warnung zu und warf sich mit einem Sprung hinter den nächsten Findling, wo er sich in eine winzige Mulde unter dem Gestein zusammenkauerte. Eine Lawine aus Stämmen hüpfte über ihn hinweg und klatschte in den Fluss. Wasserfontänen sprühten auf. Unter dem Felsen zusammengekrümmt, hörte Torak, wie die felsigen Steilwände ein Lachen zurückwarfen. Er sah Thiazzis Einbaum vor sich, der durch das Steinmaul hindurchglitt und im Großen Wald verschwand.
Dann geriet die gesamte Böschung des Hügels ins Rollen, und Fin-Kedinn schrie verzweifelt: »Renn! Renn!«
Kapitel 7
Die Stille dröhnte in Toraks Ohren, seine Kehle war staubverklebt.
»Renn?«, rief er.
Keine Antwort.
»Fin-Kedinn? Wolf?«
Die Steine warfen seine entsetzten Schreie höhnisch zurück.
Er war unter einem Durcheinander aus Zweigen und Schösslingen eingeklemmt, die auf den Findling gefallen waren. Panik stieg in ihm auf. Er steckte fest. Erst nach einiger Zeit gaben die jungen Bäume unter seinen heftigen Bewegungen nach und er konnte sich gewaltsam einen Weg ins Freie bahnen. Dort schnappte er erst einmal gierig nach Luft.
»Renn!«, schrie er erneut. »Fin-Kedinn!«
Auf der Hügelkuppe tauchte Wolf auf und kam mit großen Sprüngen zu Torak herabgelaufen. Torak brauchte kein Wort zu sagen, ein kurzer Stoß mit der feuchten Schnauze genügte, dann machten sie sich gemeinsam auf die Suche. Baumstämme verschoben sich, ächzend und bedrohlich knarrend, unter ihren Füßen. Dann … ein leises Wimmern. »Nein, nein, bitte nicht, nicht die beiden.« Erst nach einer Weile erkannte Torak, dass es seine eigene Stimme war.
Rek ließ sich mit rauschendem Gefieder auf einem ungefähr zehn Schritte entfernten Zweig nieder. Wolf rannte auf sie zu und bellte. Torak folgte ihm wankend.
Durch die Äste sah er dunkelrotes Haar schimmern. »Renn?«
Er arbeitete sich durch das Dickicht voran, riss Schösslinge beiseite. Dann streckte er seinen Arm durch eine Lücke zwischen den Zweigen und packte ihren Ärmel.
Sie stöhnte.
»Alles in Ordnung?«
Leises Husten. Dann ein stöhnendes Murmeln, das man als Ja deuten konnte.
»Ich mach die Lücke größer. Gib mir die Hand, ich zieh dich raus.« Natürlich reichte ihm Renn zuerst ihren Bogen, erst dann wand sie sich selbst heraus. Ihre Augen waren weit aufgerissen, aber abgesehen von ein paar Schrammen hatte sie nichts abbekommen.
»Fin-Kedinn«, sagte sie.
»Ich kann ihn nicht finden.«
Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. »Er hat mir das Leben gerettet und mich im letzten Augenblick beiseitegerissen.«
Wolf stand unter ihnen im toten Fichtengestrüpp und blickte aufmerksam zwischen seinen Vorderpfoten nach unten. Er hatte die Ohren aufgestellt und sah seinen Rudelgefährten ungeduldig an.
Die Fichten lagen auf einer großen Buche, und diese wiederum quer über weiteren Fichtenstämmen. Unter der Buche steckte Fin-Kedinn.
»Fin-Kedinn?« Renns Stimme zitterte. » Fin-Kedinn .«
Die Augen des Rabenanführers blieben geschlossen.
Voller Angst zerrten sie Äste und Baumstümpfe beiseite. Plötzlich ertönte ein Quietschen und der ganze Holzstapel erzitterte. Beide hielten erschrocken inne.
Als die Sonne unterging, arbeiteten sie immer noch, bis sie endlich den Weg zur Buche frei geräumt hatten. Der Stamm selbst jedoch wollte sich nicht vom Fleck rühren. Erst als Torak einen dicken Ast unter den breiten Stamm rammte und sich mit seinem ganzen Gewicht darauf legte, rutschte der Baum ein wenig zur Seite.
»Wir müssen ihn rausziehen«, sagte Renn.
Sie mussten beide zupacken, um ihn
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