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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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angeschlossen, die sich die ›Heiler‹ nannten.«
    »Aber ich dachte, er selber war gar kein Schamane?«
    Fin-Kedinn lächelte flüchtig. »Wie du offenbar selbst erfahren hast, konnte er ziemlich überzeugend sein.« Er stieg aus dem Wasser, legte das Rindenbündel auf den Boden und kniete sich daneben. »Ich habe dir ja schon erzählt, wie es kam, dass aus den ›Heilern‹ die Seelenesser wurden, wie sie Angst und Schrecken im Wald verbreiteten … Dann kam das große Feuer, bei dem manche von ihnen schwere Verletzungen erlitten. Sie wurden in alle Winde verstreut und ihre Spur verlor sich.«
    »Tenris war im Gesicht und auf der ganzen linken Seite verbrannt«, sagte Torak leise.
    »Was niemand wusste«, fuhr Fin-Kedinn fort, »war, dass er zu seinem Clan zurückkehrte. Uns fiel nur auf, dass sich die Robben mit einem Mal … von anderen Sippen absonderten. Sie trieben nur noch mit anderen Meerclans Tauschhandel, nicht mehr mit denen aus dem Weiten Wald. Außerdem hatten sie einen neuen Schamanen.«
    Torak warf einen Grashalm in den Fluss und sah zu, wie er von der Strömung hinuntergezogen wurde. »Er hatte es auf mich abgesehen, weil ich ein Seelenwanderer bin. Weil er selbst einer werden wollte.« Er blickte ins Wasser. »Das wollen die anderen Seelenesser bestimmt auch.«
    »Vielleicht ist ihnen ja noch nichts von dir zu Ohren gekommen«, erwiderte Fin-Kedinn unschlüssig. »Vielleicht hat es der Robbenschamane ja keinem weitererzählt.«
    »Vielleicht aber doch. Vielleicht hat ihm ja auch jemand geholfen.«
    Mit einem Mal schien sich der Wald enger um Torak zu schließen und das Bienengesumm klang seltsam bedrohlich. Er sah wieder Tenris’ gelbe Augen vor sich und dachte an die übrigen Seelenesser … die gesichtslosen, deren Namen er nicht kannte, die aber längst irgendwo auf ihn lauerten.
    »Sie finden bestimmt heraus, was ich zu tun vermag«, sagte er, »und dann holen sie mich.«
    Fin-Kedinn nickte. »Wenn sie dich kriegen, werden sie entweder noch mächtiger als in ihren kühnsten Träumen oder sie unterliegen dir und es ist aus mit ihnen.«
    Torak sah ihn fragend an. »Hast du mir deswegen nie angeboten, dein Ziehsohn zu werden? Weil ich womöglich eine Gefahr für euch bin?«
    In den blauen Augen flackerte es. »Ich muss an meine Sippe denken, Torak. Mag sein, dass wir mit deiner Hilfe die Seelenesser besiegen, aber genauso gut könntest du unser Untergang sein.«
    »Aber ich will doch euch Raben nichts Böses!« Torak sprang entrüstet auf.
    »Das kannst du jetzt noch gar nicht wissen!«, widersprach ihm Fin-Kedinn energisch. »Du weißt nicht, ob du dich nicht irgendwann veränderst!«
    »Aber…«
    »Wir tragen alle das Böse in uns, Torak. Mancher kämpft dagegen an, mancher nährt es noch. So ist der Mensch nun mal.«
    Torak wandte sich mit einem ungehaltenen Ausruf ab.
    Fin-Kedinn machte keine Anstalten, ihn zu beschwichtigen, sondern öffnete das Rindenbündel, nahm ein Stück heraus und machte sich daran, den Bast abzuziehen.
    Torak hatte Angst. Ihm war schwindlig. Ihm war, als stünde er am Rand einer hohen Klippe, bereit, sich in den Abgrund zu stürzen.
    Er nahm allen Mut zusammen und stellte dem Älteren jene Frage, die ihn seit Tenris’ Tod quälte: »Letzten Winter hast du mir doch von den Seelenessern erzählt und hast gemeint, es wären insgesamt sieben, aber näher beschrieben hast du mir nur fünf.«
    Der Anführer hielt inne.
    »Der Robbenschamane war der sechste. Ich muss wissen, wer der siebte ist.« Er ballte die Fäuste. »Mein Vater hatte eine Narbe auf der Brust. Hier.« Er klopfte auf sein Brustbein. »Darum war es auch so schwierig, ihm … die Todeszeichen aufzumalen.« Er schluckte schwer. »Der Robbenschamane hat da etwas gesagt… und jetzt glaube ich, der siebte Seelenesser…«
    Fin-Kedinn fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und legte das Rindenstück beiseite.
    »Mein Vater. Mein Vater war der siebte.«
    Ein Windstoß schüttelte die Zweige und trug einen süßen Duftschwall heran, den die Bäume mit ihren Kronen einzufangen versuchten. »Nein«, ächzte Torak und sank in die Knie, »nein!«
    Doch er las die Antwort in Fin-Kedinns Blick.
    Nach einer Weile kam der Anführer zu ihm herüber und setzte sich zu ihm. »Ich habe dir erklärt, dass sie anfangs nichts Böses im Sinn hatten, weißt du noch? Dein Vater war jedenfalls davon überzeugt. Darum hat er sich ihnen angeschlossen. Um Kranke zu heilen und Dämonen zu vertreiben.« Sein Blick war jetzt

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