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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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toten Tokoroth bettete man in ein Hautboot, ruderte sie außer Sichtweite der Insel und übergab sie der Meermutter.
    Als das geschehen war, schickte Islinn alle außer Torak aus seiner Hütte. »Wenn du morgen aufbrichst, soll Bale dich begleiten. Er trägt Sorge, dass du wohlbehalten heimfindest.«
    »Danke, Ältester«, sagte Torak ausdruckslos.
    Der Alte blickte ihn forschend an. »Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen. Mich hat er genauso getäuscht, dabei bin ich viele Sommer älter als du.«
    Torak schwieg.
    »Du trauerst um ihn«, stellte der Alte fest.
    Torak war verblüfft, dass man ihm das anmerkte. »Er war freundlich zu mir. Jedenfalls zu Anfang. Hat er sich denn die ganze Zeit nur verstellt?«
    Der Blick des Ältesten besagte, dass er im Lauf seines langen Lebens jeder nur denkbaren Art von Niedertracht und Torheit begegnet war. »Das werden wir wohl nie ergründen … Geh zurück in den Wald, Torak, dort gehörst du hin. Aber wenn es dich irgendwann nach einem Zuhause verlangen sollte, weißt du, wo du uns findest.«
    Torak legte zum Dank die Fäuste aufs Herz, obwohl er nicht vorhatte, Islinns Angebot jemals anzunehmen. Die Insel würde in ihm wohl immer ungute Erinnerungen wecken.

    Am nächsten Morgen brachen sie auf. Wolf fuhr in Toraks Boot mit, Renn in Bales. Es war ein strahlend sonniger Tag und dank einem kräftigen Westwind kamen sie gut voran. Als sie aus der Robbenbucht herausfuhren, drehte sich Torak noch einmal um. Von den buckligen Hütten stieg Rauch auf, die Kinder spielten im flachen Wasser. Am Fuß der schroffen Hänge wiegten sich Birken und Ebereschen und darüber kreisten weiße Seevögel.
    Diese karge, raue, auf das Wohlwollen der Meermutter angewiesene Gegend würde Torak wohl immer fremd bleiben, doch sie hatte ihre ganz eigene Schönheit, und als er sie jetzt verließ, konnte er endlich nachvollziehen, weshalb Bale so gern dort lebte.
    Sein Blick wanderte höher und streifte die hohe Klippe. Ihn schauderte. Er hatte sich nicht überwinden können, noch einmal dort hinaufzusteigen. Bale war allein gegangen und hatte ihm wortlos Fas Messer überreicht.
    Unterwegs leisteten ihnen Lunde und Seeadler Gesellschaft. Einmal glaubte Torak, in der Ferne eine hohe, verstümmelte Finne zu erspähen, die ihnen eine Zeit lang folgte, doch als er die Augen zusammenkniff und genauer hinsah, war sie verschwunden.
    Es war schon spät am Tag, als Wolf leise bellte und sich schwanzwedelnd und mit gespitzten Ohren in den Bug stellte. Kurz darauf rief Bale etwas, das Torak nicht verstand, und Renn schwenkte grinsend ihren Bogen.
    Als Torak aufblickte, sah er über den Wellen die ersten Baumwipfel.

    Als sie anlegten, war es schon fast dunkel, auch wenn die Sonne noch als große bernsteinfarbene Kugel tief über dem Meer stand.
    Torak zog rasch sein Wams und sein Beinleder an und schnürte die Robbenkleidung zu einem Bündel. Seine Rückentrage, seinen Bogen und Schlafsack und vor allem sein eigenes Clanabzeichen wieder zu tragen, war ein gutes Gefühl. Doch als er Bale das Bündel mit den geborgten Sachen im Boot verstauen half, fragte er sich, wann – und ob – er den Robbenjungen wiedersehen würde.
    Bale hatte beschlossen, sofort zurückzurudern. Auf dem Weg zum Boot war er schweigsam, und Torak merkte, dass er an den Tag zurückdachte, an dem er und seine Freunde an diesem Ufer einem fremden Waldjungen begegnet waren und ihm einen ausgesprochen ruppigen Empfang bereitet hatten.
    »Wir sehen uns bestimmt wieder, Bale«, sagte Torak. »Eines Tages zeige ich dir meinen Wald.«
    Bale betrachtete die hohen Kiefern. »Noch vor ein paar Tagen hätte ich gedacht, du spinnst, aber wenn schon Wölfe in Hautbooten fahren, dann …«
    »… dann kann genauso gut eine Robbe durch den Wald streifen«, ergänzte Torak lächelnd.
    Bale lächelte auch. »Warum nicht, Verwandter?« Er nickte Renn und Wolf zu, stieg in sein Boot und paddelte westwärts. Sein heller Schopf flatterte im Wind, die Sonne färbte das Meer golden.
    Auf einer mit grünem Farn und rotvioletten Weidenröschen bestandenen Lichtung bauten sich Torak und Renn aus Birkenschösslingen eine richtige Waldhütte. Sie kochten sich ein anständiges Waldmahl aus geschmorten Gänsefußblättern und gerösteten Lattichwurzeln, dazu gab es eine Hand voll früher Himbeeren, die Torak am Rand der sumpfigen Senke pflückte, in die er seinerzeit Detlan und Asrif gelockt hatte. »Und weit und breit nicht eine Wacholderbeere«, seufzte Renn

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