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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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eine geschickte List sah Tenris ähnlich.
    Wie musste der Schamane frohlockt haben, als sie so eifrig nach einem Heiltrank suchten, den es gar nicht gab! Wie schlau musste er sich vorgekommen sein! Wie mächtig.
    Trotzdem konnte ihn Torak nicht verdammen. Tenris war ein naher Verwandter. Torak hatte ihn auf Anhieb gemocht und das Bedürfnis gehabt, auch von ihm gemocht zu werden.
    Torak legte die Stirn auf die Knie und kämpfte gegen den Schmerz über Tenris’ Verrat an. Doch das anziehende, entstellte Gesicht stand ihm noch deutlich vor Augen, die Stimme klang ihm noch in den Ohren. Frag Fin-Kedinn nach deinem Vater! Lass dir erzählen, was sich in Wahrheit zugetragen hat!
    In Wahrheit? Was hatte er damit bloß gemeint?
    Da kam Bale angerannt und rief ganz außer Atem: »Kommt schnell mit!«

    Sie liefen ans andere Ende der Bucht und durchquerten den Wasserlauf, bis sie vor dem Wasserfall standen.
    Die Tokoroth lagen reglos auf den Felsen. Gischt besprühte ihre schmutzigen Gesichter und die verrenkten mageren Gliedmaßen.
    Toraks Blick wanderte den steilen Hang empor. Er wunderte sich, weshalb die beiden dort hinaufgeklettert waren. Dann fiel ihm wieder ein, wie Wolf geheult hatte: Die Dämonen sind fort!
    »Wer ist das denn?«, zischelte Bale.
    »Das sind Tokoroth«, erwiderte Renn leise.
    »Ich dachte, die gibt’s nur in den alten Geschichten! Ich dachte…«
    Das Tokorothmädchen krümmte sich stöhnend.
    »Sie lebt noch«, sagte Torak und empfand mit einem Mal Mitleid. Die beiden waren noch ganz jung, nicht älter als acht, neun Sommer.
    »Es sind Mörder«, sagte Bale finster und zog sein Messer.
    Wolf kam hinter einem Felsen hervor und knurrte.
    Bale blieb stehen. »Was…«
    Torak ließ sich auf ein Knie nieder. Wolf kam angetrottet, stupste ihn mit der Nase an und leckte ihm die Wange. Torak blickte zu Renn hoch. »Er hat die Dämonen verjagt, sagt er.«
    »Und wo sind sie hin?«
    Torak wechselte einen Blick mit Wolf, dann schüttelte er den Kopf. »Das möchte ich ihn nicht fragen. Sie sind weg. Dabei wollen wir es bewenden lassen.«
    Bale starrte ihn mit offenem Mund an. »Du kannst mit ihm sprechen?«
    »Wir sind Rudelgefährten, Wolf und ich.«
    »Das ist also ein Wolf.« Bale legte die Hand aufs Herz und verneigte sich. »Ich finde ihn sehr schön.«
    Die beiden Tokoroth zuckten wieder.
    Renn lief zu ihnen und hockte sich daneben. »Es geht zu Ende«, sagte sie ernst. »Gib mir dein Medizinhorn, Torak. Ist Erdblut darin?«
    Torak reichte ihr das Verlangte, aber Bale fragte verständnislos: »Was hast du vor?«
    »Ich will ihnen die Todeszeichen aufmalen.«
    »Das haben sie nicht verdient!«
    Renn drehte sich nach ihm um. »Es waren einmal Kinder wie wir! Ihre Seelen sind noch da, ganz tief drinnen! Wir müssen ihnen helfen, sich zu befreien …«
    »Es sind Mörder«, wiederholte Bale ungerührt.
    »Lass sie nur machen«, mischte sich Torak ein. »Sie kennt sich mit solchen Dingen aus.«
    Die beiden Jungen sahen zu, wie Renn das rote Pulver mit Wasser anrührte und den Tokoroth die Todeszeichen auf Stirn, Brust und Fersen malte.
    Wolf kam herbei und setzte sich neben sie, jaulte leise und wedelte mit dem Schwanz. Seine bernsteinfarbenen Augen leuchteten. Was er wohl sah?
    Renn machte ein abwesendes Gesicht und murmelte etwas vor sich hin. Torak fühlte sich unbehaglich. Offenbar rief sie die Seelen der Kinder an, beschwor sie, sich hervorzuwagen.
    Da ballte der Tokorothjunge plötzlich die Fäuste. Das Mädchen zuckte noch einmal und schlug die Augen auf.
    Renn lief eine Träne über die Wange. »Zieht in Frieden«, flüsterte sie. »Ihr seid jetzt frei. Frei …«
    Ein Beben überlief den Jungen, dann lag er reglos da. Das Mädchen stieß einen langen, rasselnden Seufzer aus … dann war alles still.
    Ein Luftzug strich durch die Sonnenbecher. Wolf wandte den Kopf, als sei eben etwas vorbeigehuscht.
    »Sie sind fort«, sagte Renn.

    Am folgenden Tag kamen die Robben von der Kormoraninsel zurück und Torak, Bale und Renn hatten mit dem Clanältesten eine lange Unterredung.
    Zu ihrer Überraschung war Islinn längst nicht so erschüttert über den Tod seines Schamanen, wie sie angenommen hatten. Eher schien ihm die Aussicht, dass er sich von nun an wieder persönlich um alles kümmern musste, neue Tatkraft zu verleihen. Er wirkte geradezu verjüngt, als er seine flinksten Boten nach dem Wald aussandte, um die anderen Sippen vor dem Gift zu warnen und Asrif und Detlan wieder ins Lager zu holen. Die

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