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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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setzte sich. Auch Andrej nahm Platz.
    Rezzori griff gedankenverloren nach etwas von dem, was gestern Abend auf dem Teller der Zecher zurückgeblieben war, und ließ es dann fast erschrocken wieder fallen, als ihm klar wurde, was er gerade zu essen im Begriff stand.
    »Der Muselmane ist Euer Freund?«, fragte er. »Darf ich fragen, wie lange Ihr ihn schon kennt?«
    »Sehr lange«, antwortete Andrej. Rezzori hätte gewiss laut gelacht, hätte er ihm gesagt, wie lange schon.
    »Und Ihr vertraut ihm?«
    Als Andrej nicht antwortete, wechselte Rezzori das Thema. »Ihr seid also seit einer guten Woche in der Stadt. Verratet Ihr mir, wo Ihr herkommt?«
    »Aus Konstantinopel.«
    »Konstantinopel.« Rezzori machte ein beeindrucktes Gesicht. »Eine prachtvolle Stadt, sagt man.«
    »Und weit weg von hier.«
    »Ja.« Rezzori legte den Kopf auf die Seite und sah ihn nachdenklich an, vielleicht auch leicht lauernd. »Darf ich fragen, wie Ihr und Euer Freund hergekommen seid? Die Reise durch diesen Teil der Welt ist im Moment nicht ungefährlich.«
    »Wann wäre sie das jemals gewesen?«, gab Andrej zurück, bevor er Rezzoris Frage beantwortete. »Mit einem Schiff.« Unaufgefordert fügte er hinzu: »Es heißt Paloma. Ich weiß nicht, ob es noch im Hafen liegt, aber wenn, dann werden Euch der Kapitän und die Mannschaft sicherlich bestätigen, wo wir an Bord gegangen sind. Einen Mann wie Abu Dun vergisst man so schnell nicht.«
    »So wenig wie Euch, Signore. Zumindest erinnert sich der Kapitän der Paloma noch gut. Sie liegt draußen in der Lagune, und ich fürchte, das wird sie auch noch eine ganze Weile. Das Schiff wurde für die Flotte requiriert. Der Kapitän war nicht begeistert.«
    »Ihr habt mit ihm gesprochen?«
    »Schon gestern«, bestätigte Rezzori.
    »Gestern schon.« Andrej nickte anerkennend. »Ich weiß zwar immer noch nicht genau, wer Ihr seid, Signore Rezzori, aber auf jeden Fall scheint Ihr mir ein Mann von großem Weitblick zu sein, wenn Ihr einer Anschuldigung schon nachgeht, bevor sie überhaupt ausgesprochen worden ist.«
    Rezzori lächelte, aber seine Augen blieben ernst, dennoch aber nicht unfreundlich. »Seid Ihr denn so sicher, dass ich nur wegen dieser Anschuldigung hier bin?«
    »Weshalb sonst?« Andrej wären auf Anhieb ein halbes Dutzend guter Gründe eingefallen, angefangen mit dem Verdacht, der ihm als Erstes und ganz spontan gekommen war, als er Rezzori und seine beiden bewaffneten Begleiter gesehen hatte. Vielleicht hatte es sich der gute Dottore ja doch noch anders überlegt, und Rezzori war gekommen, um mit ihm über das Schicksal eines gewissen Patienten aus seinem Spital zu reden.
    »Es sind schlimme Zeiten, Signore Delãny«, fuhr Rezzori nach einer Pause fort. »Ich weiß, Ihr könntet jetzt sagen, das sind sie immer, und damit hättet Ihr auch vollkommen recht – aber die Republik rüstet zum Krieg, und die Menschen sind nervös. Und misstrauisch, vor allem Fremden gegenüber.«
    »Und umso mehr, je dunkler ihre Haut ist.«
    »Und umso mehr, je dunkler ihre Haut ist«, bestätigte Rezzori ungerührt. »Und die Haut Eures Freundes ist sehr dunkel.« Er seufzte. »Ihr habt mich gefragt, warum ich hier bin, Signore Delãny, und ich glaube, ich bin Euch eine ehrliche Antwort schuldig: Ihr seid seit einer Woche hier, und das ist nicht unbemerkt geblieben. Venedig ist eine große Stadt, doch Ihr habt es gerade selbst gesagt: Euer Freund ist ein Mann, den man so schnell nicht vergisst.«
    »Und was genau wollt Ihr mir damit sagen?«, fragte Andrej, gleich um mehrere Grade kühler.
    »Oh, nichts«, beeilte sich Rezzori zu versichern. Er nahm seinen Hut wieder in die Hand und drehte ihn. »Nur, dass Euer Freund und Ihr eine Menge Fragen gestellt habt. Fragen, die die Leute nervös machen.«
    Andrej musste sich beherrschen, um nicht aufzufahren. »Wir suchen nach jemandem, und das ist nur schwer möglich, ohne Fragen zu stellen.«
    »Ich bitte Euch, Signore.« Rezzori legte den Hut aus der Hand beiseite und hob besänftigend die Hände. »Ich meine es gut mit Euch, glaubt mir. Wäre das nicht so, würden wir diese Unterhaltung nicht führen.«
    »Oder jedenfalls nicht hier. Stattdessen lägen wir in Ketten, und Ihr hättet eine glühende Zange in der Hand.«
    Abu Dun hatte sich wieder einmal einen Spaß daraus gemacht, sich lautlos anzuschleichen – ein Kunststück, mit dem er angesichts seiner enormen Größe und scheinbaren Schwerfälligkeit andere immer wieder in Erstaunen versetzte. Auch Rezzori

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