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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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Fäulnis gesättigten Atem riechen und die Hitze des verzehrenden schwarzen Feuers spüren konnte, die in seinen Augen brannte. Ich komme zu dir, Andrej!
    Andrej schrie auf, zerbrach mit der puren Kraft seines Willens die Ketten des Albtraums und schleuderte das Ungeheuer von sich. Aus der gleichen Bewegung heraus sprang er hoch in eine leicht geduckte, grätschbeinige Abwehrhaltung, die Arme schützend vor Brust und Gesicht erhoben und die Hände zu Krallen geformt und nach außen gedreht.
    »Also, ich kenne ja eine Menge sonderbarer Stellungen, aber die ist mir neu«, murmelte Corinna benommen, während sie sich unsicher in eine halb sitzende – und wenigstens halbwegs züchtige – Stellung hochrappelte. »Wenn du mich allerdings dabei schlagen musst, dann will ich sie vielleicht doch nicht lernen.«
    Als Andrej sie verstört ansah, erlosch das verwirrte Lächeln auf ihrem Gesicht und wich einem Ausdruck von Betroffenheit. »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja«, antwortete Andrej mit einer Stimme, die ihn Lügen strafte.
    »Selbstverständlich«, sagte Corinna. »Deshalb hast du wohl auch geschrien und um dich geschlagen?« Anmutig glitt sie aus dem Bett, bückte sich nach der Decke, die er von sich geschleudert hatte, und wickelte sich hinein wie in einen Mantel. Auf einmal spürte Andrej, wie kalt es war, und er bekam prompt eine Gänsehaut. Erst dann kam er auf die Idee, endlich seine alberne Position aufzugeben und die Arme sinken zu lassen. Corinna wirkte erleichtert.
    »Geschrien?«, vergewisserte er sich. »Was?«
    »Unsinniges Zeug«, antwortete sie. »Was man eben im Schlaf so schreit, wenn man einen Albtraum hat … es war doch wieder ein Albtraum, oder?«
    »Und du?«
    »Ich?« Corinna zog eine Schnute. »Nachdem Ihr endlich von mir abgelassen habt, Signore Delãny, habe ich geschlafen wie ein Stein … aber es hätte mich nicht gewundert, wenn ich schlecht geträumt hätte nach der vergangenen Nacht. Tatsächlich wundere ich mich, dass du nicht noch viel mehr und viel schlimmere Träume hast. Amüsierst du dich immer so, Andrej? Auf Friedhöfen, meine ich, und in Gesellschaft von Geistern?«
    »Nur wenn ich kleine Mädchen beeindrucken will«, antwortete Andrej.
    »Und?«, wollte Corinna wissen. »Ist es dir gelungen?«
    Andrej war nicht danach, sich auf ein Geplänkel einzulassen. Er wollte sich zum Fenster wenden, nur um sich davon zu überzeugen, dass es noch da und nicht etwa zu einer Wand aus schwarzem Stein geworden war – aber albern oder nicht, sein Mut reichte dazu nicht aus. Stattdessen wollte er nach seinen Kleidern neben dem Bett greifen, als es an der Tür klopfte, ziemlich laut und ziemlich energisch, und die Stimme der Gastwirtin durch das dünne Holz drang: »Signore Delãny. Macht auf!«
    Andrej tauschte einen ebenso fragenden wie resignierten Blick mit Corinna, verdrehte die Augen und machte sich auf den Weg zur Tür, kehrte aber dann noch einmal um, als Corinna sich laut räusperte, und schlang sich die Decke um die Hüften. Er öffnete die Tür einen Spaltbreit und blickte in das ebenso übernächtigte wie missmutige Gesicht seiner Zimmerwirtin.
    »Signore Delãny«, begann sie, während sie sich auf die Zehenspitzen stellte, um über seine Schulter ins Zimmer hineinzublicken. »Da ist –«
    »Ich weiß, was Ihr sagen wollt«, fiel ihr Andrej ins Wort, selbst ein wenig erstaunt, wie müde, zugleich aber auch ungehalten seine Stimme klang. »Die Signorina hat heute noch einmal bei mir übernachtet. Ich weiß, dass ich Euch versprochen habe, dass –«
    »Das war nicht zu überhören.« Jetzt war es die Wirtin, die ihn unterbrach, und das mit sichtlichem Genuss. »Aber das meine ich nicht, auch wenn ich nicht umhinkann, Euch zu sagen, wie enttäuscht ich bin, Eurem Wort nicht vertrauen zu können. Aber da ist jemand, der Euch dringend zu sprechen wünscht.«
    Andrej sah nun doch zum Fenster. Draußen war es noch dunkel. Die Dämmerung war noch nicht einmal angebrochen. »Jetzt?«
    »Jetzt«, bestätigte sie. »Und ich möchte Euch bitten, zu ihnen zu gehen, bevor sie auch noch die anderen Gäste aufwecken. Euer schwarzer Freund ist bereits unten.«
    Sie hatte keine anderen Gäste, wie Andrej sehr wohl wusste (und er wusste auch, dass sie wusste, dass er es wusste), aber er nickte nur knapp. »Sagt ihnen, dass ich gleich da bin!«
    »Das will ich hoffen«, erwiderte sie. »Und über diese andere Geschichte …«
    »… reden wir noch«, beendete Andrej den Satz, schloss die Tür und

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