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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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wirklich die richtige Entscheidung gewesen war. Dies war nicht das erste Gefängnis, in dem er saß, und jeder Versuch, ihn durch Isolation, Kälte oder Hunger zu brechen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Aber er machte sich Sorgen um Abu Dun. Gereizt und zornig, wie der Nubier seit Tagen war, mochte er vielleicht zu dem Schluss kommen, dass es an der Zeit war zu gehen, und Andrej graute vor dem, was dann geschehen mochte. Es war seltsam: Er war schon so lange mit dem Nubier zusammen, dass er längst aufgehört hatte, die Jahre zu zählen, und doch war es, als würde ihm jetzt zum allerersten Mal klar, wie gefährlich Abu Dun wirklich war. Er musste an den vergangenen Abend denken, an die beiden nubischen Kriegerinnen und die Leichtigkeit, mit der sie mit ihm gespielt hatten. Um sie tatsächlich zu besiegen, hätte er sie verletzen oder gar töten müssen, und das war eine Option, die er bei Abu Dun schlichtweg nicht hatte … davon abgesehen, dass er bezweifelte, es überhaupt zu können.
    Aber was waren das eigentlich für Gedanken?
    Andrej erschrak, vor allem über sich selbst. Abu Dun war sein Freund, und mehr, viel mehr noch: Er war der Mensch, mit dem er die letzten drei Jahrhunderte seines Lebens geteilt hatte. Es gab absolut keinen Grund, warum sie plötzlich Feinde werden sollten.
    Und er wollte es auch nicht.
    Schritte näherten sich, und Andrej setzte sich auf der gemauerten Bank auf und ließ die Schultern nach vorn sinken, den verstörten Gefangenen mimend, der darauf wartete zu erfahren, warum er hier war. Er tat so, als müsse er blinzeln, als die Tür nach außen schwang und Licht hereinströmte.
    »Mitkommen!«, befahl eine barsche Stimme. Die Tür schwang weiter auf, und Andrej gewahrte den Umriss eines zweiten Mannes, der dort draußen wartete, und hörte das Geräusch, mit dem eine Waffe gezogen wurde. Immerhin, dachte er spöttisch, musste er nicht befürchten, dass man ihm nicht den notwendigen Respekt entgegenbrachte.
    Nicht, dass er sich darüber gefreut hätte.
    Andrej verließ die Zelle und folgte dem Wächter über den niedrigen Arkadengang, an dem sich ein knappes Dutzend gleichartiger Türen reihte. Die meisten waren geschlossen und zusätzlich mit schweren Riegeln gesichert, was wohl bedeutete, dass sie allesamt belegt waren. Wenn dies das einzige Gefängnis war, das Venedig hatte, dann mussten seine Bewohner wohl außergewöhnlich gesetzestreu sein.
    Wahrscheinlicher war allerdings, dass es sich um ein ganz besonderes Gefängnis handelte …
    Andrej war nahe daran, seine beiden Begleiter danach zu fragen, sparte sich aber den Atem. Die beiden sahen nicht aus wie Männer, die gerne und viel sprachen.
    Sie überquerten den kleinen Innenhof, dessen Zentrum eine sonderbare Konstruktion bildete, die ein Brunnen sein konnte oder auch ein finsteres Loch, in das man unglückliche Gefangene warf, und gingen eine kurze Treppe hinauf. Die Tür an ihrem oberen Ende lag noch nicht auf Höhe der nächsten Etage, dennoch aber ein gutes Stück oberhalb des Zellengangs. Jemand hatte diese architektonische Herausforderung angenommen, weil er offensichtlich wenig Wert darauf legte, ebenso nasse Füße zu bekommen wie die Bewohner der Zellen ringsum.
    Der Raum, in den er geführt wurde, ähnelte jedoch schon auf beklemmende Weise der Zelle, in der er die letzten Stunden verbracht hatte, war jedoch noch kleiner, und es gab kein gemauertes Bett und kein Fenster, dafür aber eine zweite Tür auf der anderen Seite, gerade einmal zwei Schritte entfernt. Rüde wurde er in den Raum gestoßen. Die Tür fiel ins Schloss. Er hörte, wie ein schwerer Riegel vorgelegt wurde, und erwartete nun, die andere Tür aufgehen zu sehen.
    Stattdessen hörte er aufgeregte Stimmen, die durch das dicke Holz drangen. Obgleich zu schnell gesprochen wurde, als dass er die Worte hätte verstehen können, war doch zu hören, dass die Unterhaltung, die dort stattfand, ganz gewiss keine freundschaftliche war, wenngleich sie lange dauerte.
    Andrej identifizierte Rezzoris Stimme, die tatsächlich sehr erregt klang. Selbst als die aufgeregten Stimmen endlich verstummten, verging noch eine ganze Weile, in der nichts geschah – eine kleine Ewigkeit, in der seine Fantasie mehr als genug Gelegenheit hatte, die wildesten Kapriolen zu schlagen. Beinahe hätte er erleichtert aufgeatmet, als die Tür endlich geöffnet wurde.
    Doch nicht Rezzori erschien, sondern ein sehr großer und ausgesprochen muskulöser Mann, der ihn mit einem

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