Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod
Corinna, und Rezzori unterbrach sie erneut und scharf: »Ihr versteht mich sehr wohl, Contessa. Andrej Delãny. Wo ist er?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Corinna. »Hattet Ihr ihn denn nicht in Verwahrung genommen?«
Selbst über die Entfernung hinweg konnte er Rezzori ansehen, wie schwer es ihm fiel, wenigstens äußerlich die Beherrschung zu wahren. »Ihr versteht mich sehr wohl, Contessa«, sagte er. »Eure Diener haben ihn hierhergebracht, und er hat das Haus bisher noch nicht verlassen.«
»Ihr lasst mein Haus beobachten?«, empörte sich Corinna.
Rezzori ging nicht einmal darauf ein. »Ruft Ihr ihn und erspart uns die Peinlichkeit, das gesamte Haus durchsuchen zu müssen, oder soll ich meine Männer losschicken?«
»Ihr vergreift Euch im Ton, Signore«, antwortete Corinna, nun ebenfalls hörbar kühler. »Habt Ihr vergessen, in wessen Haus Ihr hier …?«
Rezzori schnitt ihr das Wort mit einer rüden Geste ab, mit der er wohl zugleich seinen Leuten einen Befehl bestätigte, den er ihnen vorher schon gegeben haben musste, denn etliche von ihnen rissen Türen auf und stürmten immer zu zweit in die dahinterliegenden Zimmer. Der erschrockene Schrei einer Frau erklang, und kurz darauf die zornige Stimme eines Mannes, die aber nach kaum einem Satz abrupt abbrach. Andrej trat rasch hinter der Säule hervor und sagte laut: »Das wird nicht nötig sein, Signore Rezzori.«
Der Signore fuhr herum und warf den Kopf in den Nacken. Gleich drei seiner Männer lösten sich von ihren Plätzen, um ihm entgegenzueilen, hielten jedoch sofort wieder inne, als Rezzori die Hand hob.
»Das wird nicht nötig sein«, sagte Andrej noch einmal. Schnell, aber ohne Hast ging er die Treppe hinab und schlug den Mantel zurück, sodass alle die Waffe an seiner Seite sehen konnten, aber auch, dass sich seine Hände nicht einmal in der Nähe des Schwertgriffes befanden. »Ihr wolltet mit mir reden, Signore Rezzori? Es gibt keinen Grund, einer Dame gegenüber unhöflich zu werden. Ich bin hier.«
Rezzori starrte ihn nur an, und am Fuße der Treppe nahmen ihn drei Männer in Empfang. Sie machten zwar keinen Versuch, ihn zu ergreifen oder auch nur zu entwaffnen, eskortierten ihn aber mit weniger als einem Schritt Abstand, und Andrej konnte spüren, wie angespannt sie waren. »Verratet Ihr mir auch den Grund Eures überraschenden Besuchs?«
Zwei Schritte vor Rezzori blieb Andrej stehen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er mit der gleichen Art von Uniform wie seine Begleiter bekleidet war, nur dass sich daran eine Menge mehr Gold und blitzende Streifen befanden und er als Einziger keine Waffe trug.
Er maß Andrej mit einem langen Blick von Kopf bis Fuß und wieder zurück, bis schließlich sein Blick an der Schwertklinge an seinem Gürtel hängen blieb. »Ihr habt Euch neu eingekleidet, wie ich sehe?«, fragte er.
Schweigend zog Andrej – sehr vorsichtig – das Schwert und reichte es dem Mann neben sich. Rezzori wirkte fast enttäuscht.
»Was wollt Ihr hier?«, fragte Andrej.
Statt zu antworten, warf Rezzori ihm einen ärgerlichen Blick zu und sah dann Corinna missbilligend an. Er hob die Schultern. »Wo seid Ihr in den letzten beiden Stunden gewesen, Signore Delãny?«
»Haben Euch das Eure Spione nicht berichtet?«, fragte Andrej lächelnd.
»Er war die ganze Zeit hier, oben in meinem Zimmer«, sagte Corinna.
»Vielleicht möchte ich das nur noch einmal aus Eurem Mund hören«, sagte Rezzori. Er schien betroffen.
»Es ist genau so, wie die Contessa sagt«, antwortete Andrej kühl. »Ich war hier. Und jetzt hätte ich gerne gewusst, was dieser Überfall zu bedeuten hat.«
Rezzori starrte ihn so feindselig an, als wäre er fest davon überzeugt, es nur lange genug tun zu müssen, bis er jede Antwort bekam, die er hören wollte, selbst die auf Fragen, die er noch gar nicht gestellt hatte. Schließlich wandte er sich mit einem nachdenklichen Blick wieder an Corinna. »Und das ist also die Wahrheit?«, fragte er. »Er war die ganze Zeit über in Eurem Zimmer?«
»Und nicht nur dort«, antwortete Corinna böse.
Rezzori schürzte abfällig die Lippen. »Diese Art zu reden passt nicht zu Euch, Signorina«, sagte er, »und Euer Vater wäre sehr traurig, könnte er Euch jetzt hören.«
»Mein Vater«, antwortete Corinna, »wird vor allem empört sein, wenn ich ihm erzähle, wie unmöglich Ihr Euch gerade betragt. Und das werde ich, darauf gebe ich Euch mein Wort.«
Rezzori wirkte wenig beeindruckt. »Ich muss Euch dennoch
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