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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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nichts, wovor er Angst gehabt hätte. Und am nächsten Morgen war er … so.«
    »Und du glaubst, Meruhe hätte ihm das angetan?«
    »Rezzoris Signori haben Erkundigungen eingezogen. Es heißt, mein Bruder und er wären zuletzt in Begleitung zweier schwarzer Frauen gesehen worden. Und es sind auch noch andere verschwunden. Manche hat man wiedergefunden, einfach tot, ohne eine Wunde oder auch nur einen Kratzer. Aber die meisten sind nie wieder aufgetaucht. Und oft wurden deine …«, sie verbesserte sich, »zwei geheimnisvolle schwarze Frauen in der Nähe gesehen.«
    »Und?«, fragte er, als sie nicht weitersprach, sondern nur ihr eigenes geisterhaftes Spiegelbild in der Scheibe anstarrte.
    »Es heißt, sie hätten sie verhext. Ich glaube, sie haben sie verhext. Sie haben meinen Bruder und all die anderen getötet und meinem Vater die Hälfte seiner Jahre gestohlen.«
    »Du weißt schon, wie sich das anhört, oder?«, fragte er vorsichtig.
    Corinna reagierte nicht verletzt oder gar zornig. Sie nickte nur sehr langsam. »Ungefähr so, als würde ich dir von einem Mann erzählen, der nicht altert und dessen Wunden schneller verheilen, als man sie ihm schlagen kann.«
    »Ich weiß, was du jetzt glaubst«, sagte er. Ihre Blicke trafen sich in der verzerrenden Spiegelung. »Aber so funktioniert es nicht. Wir ernähren uns nicht von gestohlenem Leben.«
    Das war eine Lüge, und er wusste, dass sie sie durchschaute. Aber sie schwieg.
    Andrej wollte sie in die Arme schließen oder sie wenigstens berühren, um ihr auf diese Weise Trost zu spenden, aber mit einem Male konnte er es nicht mehr. Da war etwas zwischen ihnen, was es zuvor nicht gegeben hatte. Vielleicht war auch etwas, das es zuvor gegeben hatte, nun nicht mehr da.
    »Es tut mir leid«, sagte er, »wirklich. Aber ich kann deinem Vater nicht helfen. Was ich gerade gesagt habe, ist wahr, Corinna. Ich bin kein Zauberer.«
    »Wenn ich das glauben würde, dann wärst du jetzt schon tot.« Corinna runzelte die Stirn, als müsse sie über ihre eigenen Worte nachdenken, und verbesserte sich dann mit einem schiefen Lächeln: »Also gut, wahrscheinlich wohl eher die Männer, die ich damit beauftragt hätte, dich zu töten.«
    »Jetzt enttäuscht Ihr mich, Signorina«, antwortete Andrej. »Braucht Ihr wirklich Hilfe, um einen Mann zu töten?«
    »Einen Mann?« Corinna schüttelte den Kopf. »Nein. Aber dich?«
    Darauf sagte Andrej gar nichts mehr. In Anbetracht der schrecklichen Gestalt, die hinter ihnen in einem Sessel saß und schlief, wäre es ihm geschmacklos vorgekommen, wie gewohnt mit ihr herumzualbern. Doch kaum hatte er diesen Gedanken gedacht, da wurde ihm auch schon klar, dass die Wahrheit viel simpler war und viel schlimmer.
    Sie hatten ihre Unschuld verloren. Das verspielte Mädchen, das den Ritter auf dem weißen Pferd getroffen hatte, und den einsamen Wanderer, der seine verlorene Jugend und seine Lebendigkeit neu entdeckt hatte, gab es nicht mehr. Sie hatten sich verändert, ohne dass er hätte sagen können, wann und wie. Doch er spürte: Etwas war zu Ende gegangen. »Das Einzige, was ich für dich tun kann, ist das, was ich ohnehin vorhatte«, sagte er leise.
    »Du willst gehen«, sagte Corinna.
    »Noch heute«, bestätigte Andrej. »Es wird aufhören, das zumindest kann ich dir versprechen.«
    Doch nicht einmal das konnte er, wenn er ganz ehrlich war. Er begann zu verstehen, was hier wirklich geschah, aber noch war es nicht mehr als eine Ahnung, viel zu diffus, um sie in Worte zu fassen. Und vielleicht irrte er sich auch.
    Vielleicht wurde es nicht besser, wenn er Marius nahm und mit ihm nach Konstantinopel ging. Vielleicht wurde es schlimmer, weil das, was durch Meruhes und Marius’ Anwesenheit begonnen hatte, schon längst nicht mehr aufzuhalten war. Aber wie hätte er ihr das sagen können?
    Denn ganz gleich, wie sehr es ihn empörte, dass Corinna ihn benutzt hatte, in Wahrheit konnte er sich selbst nicht verzeihen, sie zu enttäuschen.
    »Und es gibt nichts, womit ich dich überreden könnte, noch eine Weile hierzubleiben?«
    »Eine Weile?«
    »Nicht lange«, antwortete sie. »Vielleicht zwanzig Jahre.«
    »Oder auch fünfzig.«
    Jetzt berührte er sie doch, aber so, wie er ein weinendes Kind berührt hätte, um ihm Trost zu spenden. Und mehr, dachte er bitter, war es jetzt nicht. Was immer auch zwischen ihnen gewesen sein mochte, es war nicht mehr da, und sie spürten es beide.
    »Du würdest es nicht ertragen, Corinna«, sagte er sanft. »Glaub

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