Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod
der gleichen Sekunde schrie Corinna gellend auf, als sich eine riesige schwarze Hand um ihr Fußgelenk schloss und sie so brutal die Treppe hinunterzerrte, dass sie mehrmals und hart mit dem Gesicht auf den steinernen Stufen aufschlug.
Andrej rollte herum, sprang neben der Treppe auf den matschigen Boden und versuchte erst gar nicht, das Gleichgewicht zu halten, sondern wandelte den beginnenden Sturz in eine blitzartige Rolle um, an deren Ende er Abu Dun beide Füße in den Leib rammte.
Obwohl er alle Kraft in den Tritt gelegt hatte, reichte es nicht, um Abu Dun zu Boden zu werfen, aber immerhin brachte er ihn ins Taumeln und rettete Corinna damit das Leben. Statt ihr Gesicht zu zermalmen, hinterließ Abu Duns schwerer Fuß ein gewaltiges Loch im Boden neben ihr, das sich sofort mit übel riechendem Wasser füllte.
Andrej nutzte den Rückstoß seiner eigenen Attacke, um in die Höhe zu federn, und versetzte dem Nubier einen gewaltigen Fausthieb, der jedem anderen den Kiefer zertrümmert hätte (und seine Hand brach), und trieb ihn damit weit genug zurück, um sich nach Corinna bücken und sie in die Höhe reißen zu können. Sie schrie, mehr vor Schmerz als vor Angst, und als er herumwirbelte und zum zweiten Mal die Treppe hinauflief, sah er frisches Blut – entsetzlich viel Blut – auf ihrem Gesicht.
Abu Dun schüttelte benommen den Kopf, bückte sich schwerfällig nach seinem Säbel und richtete sich unbeholfen wieder auf, was Andrej jede Gelegenheit gegeben hätte, sein eigenes Schwert zu benutzen und ihn auszuschalten, aber das wollte er immer noch nicht.
»Verdammt, Abu Dun, hör auf!«, sagte er. »Rede mit mir!«
Weder hörte der Nubier auf, noch bestand seine Antwort aus mehr als einem unartikulierten Knurren. Er ergriff seine Waffe nun mit beiden Händen und schwang sie mit einem gewaltigen Hieb, der Andrej glattweg halbiert hätte, wäre er ihm nicht mit einem fast verzweifelten Satz ausgewichen oder hätte gar den Fehler gemacht, ihn mit seiner eigenen Klinge parieren zu wollen. Statt ihn zu enthaupten, kappte der riesige Krummsäbel einen der dicken Stützbalken so mühelos wie eine Sense trockenes Schilf, und Andrej musste sofort einem zweiten, womöglich noch wuchtigeren Hieb ausweichen, der ihn beinahe noch knapper verfehlte und eine zweite Säule fällte. Diesmal ergoss sich eine wahre Sturzflut aus dünnflüssigem Morast und geborstenem Holz über Abu Dun, was der Nubier aber gar nicht zur Kenntnis nahm. Er stürmte nur weiter vor, ohne Rücksicht darauf, welchen Schaden er anrichtete oder selbst dabei nahm.
Andrej wollte ihn immer noch nicht verletzen, aber er wollte auch nicht von ihm in Stücke gehackt werden; und er wollte noch sehr viel weniger zusehen, wie er Corinna umbrachte.
Als Abu Dun zu einem dritten, weit ausholenden Hieb Schwung nahm, versetzte er ihm einen tiefen Stich in den Oberschenkel, von dem er wusste, dass er den Nubier zwar nicht ernsthaft verwunden würde, aber höllisch wehtun musste. Als Abu Dun vor Schmerz und Wut brüllend mit dem verletzten Bein einknickte, schlug Andrej ihm den Säbel aus der Hand, packte seinen Arm und wirbelte ihn zweimal herum, bevor er ihn losließ und mit solcher Wucht gegen einen weiteren Stützpfeiler schmetterte, dass dieser ebenfalls nachgab und mit einem nassen Splittern umfiel. Ein guter Teil der Deckenverkleidung und eine halbe Tonne Schlamm und zerbrochene Ziegelsteine folgten und rissen den Nubier endgültig zu Boden.
Andrej war mit einem gewaltigen Schritt bei ihm, schmetterte ihm den Schwertknauf in den Nacken und taumelte dann selbst, als eine weitere Lawine auf den Nubier und ihn niederprasselte. Der Boden zitterte. Ein tiefes Stöhnen wie von einem lebendigen Wesen erklang, und unmittelbar neben Andrej zersprang eine weitere hölzerne Säule mit einem peitschenden Knall.
Andrej warf erschrocken den Kopf in den Nacken und sah, dass sich die Decke unmittelbar über ihnen durchzubiegen begann wie nasses Segeltuch. Ein weiterer Stützpfeiler fing an, unter der Anstrengung zu ächzen, auch noch die Last derjenigen Säulen tragen zu müssen, die Abu Duns ungestümem Wüten zum Opfer gefallen waren. Lange würde es ihm vermutlich nicht mehr gelingen.
Nur um sicherzugehen, versetzte er Abu Dun einen zweiten, sogar noch heftigeren Schlag mit dem Schwertknauf, der selbst ihn für mindestens eine Stunde zuverlässig ausschalten musste, steckte das Schwert dann ein und schleifte den bewusstlosen Nubier zur Seite. Ganz kurz überlegte
Weitere Kostenlose Bücher