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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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verquollene Decke trugen und dabei lediglich Schlupflöcher ließen, durch die man sich kreuz und quer bewegen konnte. So sehr er es gewohnt war, sich anhand von Lauten und ihrem Widerhall zu orientieren, so sehr verwirrten ihn nun die unzähligen Echos.
    Abu Dun musste es genauso – und vielleicht sogar schlimmer – ergehen, denn obwohl er die Unsterblichkeit erst deutlich später errungen hatte als Andrej, waren die Sinne des Nubiers noch sehr viel schärfer als seine – was sich nun mit ein wenig Glück gegen ihn wenden würde.
    Andrej verharrte noch etliche Sekunden lang reglos und sogar mit angehaltenem Atem in der Dunkelheit und lauschte, ohne mehr als Corinnas gedämpfte Atemzüge und das angsterfüllte Hämmern ihres Herzens zu hören. Vielleicht war Abu Dun irgendwo hinter ihnen und tat dasselbe.
    Wenn sie Glück hatten, hatte auch er in der stygischen Finsternis hier unten die Orientierung verloren und war in die falsche Richtung gegangen.
    Es gab nur eine Möglichkeit, es herauszufinden.
    Er berührte noch einmal Corinnas Lippen, um ihr auf diese Weise zu bedeuten, still zu sein (sie nutzte die Gelegenheit, spielerisch an seinem Zeigefinger zu knabbern), und nickte ihr knapp zu. Nahezu lautlos setzten sie sich in Bewegung.
    Aber eben nur nahezu. Ihre Schritte und selbst das Rascheln ihrer Mäntel fügten dem akustischen Wetterleuchten eine weitere Facette hinzu, und prompt hörte Andrej hinter sich wieder einen Lärm, als wäre eine ganze Gruppe von Verfolgern hinter ihnen her und nicht nur ein einzelner Mann. Aber Andrej machte sich nichts vor. Früher oder später würde der Nubier sie einholen.
    Corinna mit der linken Hand weiter festhaltend, streckte er die andere nach vorn, um nach verborgenen Hindernissen zu tasten, und beschleunigte seine Schritte. Gleichzeitig versuchte er sich zu erinnern, wie viele Schritte und in welche Richtung sie bisher gegangen waren. Ganz sicher war er nicht. Diese schreckliche unterirdische Welt schaltete nicht nur seinen Gesichtssinn aus, sondern verwirrte auch seinen inneren Kompass, auf den er sich sonst so gut verlassen konnte. Doch das Schlimmste überhaupt war, dass die Angst immer noch da war. Um sich auf den Rückweg zu besinnen, musste er an die Wände denken, an denen er sich entlanggetastet hatte, und prompt meinte er wieder zu spüren, wie sich das steinerne Grab rings um ihn zusammenzog. Was hatte Marius ihm angetan?
    Seine Hand ertastete nasses Mauerwerk anstelle von Holz, dann die Krümmung eines gemauerten Torbogens, der vielleicht in die richtige Richtung führte, vielleicht auch nur tiefer hinein in dieses endlose Labyrinth. Doch ihnen blieb keine andere Wahl: Sie mussten es wagen. Als Corinna zum Reden ansetzte, brachte er sie mit einem Ruck am Handgelenk zum Schweigen. Sie blieb gehorsam stumm, aber er meinte ihren Ärger spüren zu können und, einmal darauf aufmerksam geworden, auch wieder jene andere tastende Präsenz. Er war jetzt sicher, dass es nichts Feindseliges und Lauerndes war, wie er zunächst angenommen hatte, sondern nur große Unsicherheit und noch größeres Staunen. Etwas erwachte, unendlich langsam und voller Furcht vor der verwirrenden neuen Welt, in die es hineingestoßen wurde, aber auch voll Neugier. Und es war nahe …
    Um ein Haar hätte er laut jubiliert, wäre ihm nicht zugleich auch die neuerliche Gefahr klar geworden. Es war Corinnas erwachende Unsterblichkeit, die er nicht nur jetzt, sondern vom allerersten Moment an in ihr gespürt hatte und die der Grund gewesen war, warum er sich so unwiderstehlich zu ihr hingezogen gefühlt hatte. Doch auch wenn sein Herz in freudiger Erregung über diese Erkenntnis schlug, war die Gefahr doch groß, die von diesem Erwachen ausging. Abu Dun musste ihre Nähe genauso deutlich spüren wie die seine, und für ihn war sie nichts weiter als ein zweites Ziel, das ihm den Weg wies.
    Andrej kam zu einem Entschluss. Er blieb stehen, zog Corinna noch dichter an sich heran und rief laut: »In Ordnung, Pirat! Sag mir, was du von ihr willst, und wir reden darüber!«
    Er bekam keine Antwort von Abu Dun, aber irgendwo – nicht einmal annähernd so weit entfernt, wie er gehofft hatte – bewegte sich etwas, und Corinna sog so erschrocken die Luft zwischen den Zähnen ein, dass es fast wie ein kleiner Schrei klang. »Bist du verrückt?«, keuchte sie. »So findet er uns doch!«
    »Er findet uns sowieso«, antwortete Andrej, legte ihr schützend den Arm um die Schultern und streckte das Schwert in

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