Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod
keinen Streit, aber ich werde mich verteidigen, wenn ich es muss.«
»Nur zu«, höhnte der Kerl. Sein Degen stocherte wieder nach seinem Gesicht, und die anderen rückten näher, nachdem sie ihn umstellt hatten. Der Rest der Menge war inzwischen zurückgewichen und bildete einen Kreis von vielleicht fünf oder sechs Schritten Durchmesser.
»Ihr seid zu viert«, sagte Andrej ernst.
»Zählen kannst du also auch? Erstaunlich.«
»Und das heißt, dass ich keine Rücksicht nehmen kann«, fuhr Andrej fort. »Willst du wirklich dein Leben oder das deiner Freunde riskieren?«
»Dann doch lieber deins«, antwortete der Bursche grienend und griff an.
Andrej hatte die Bewegung vorausgeahnt und versuchte nicht, dem Stoß auszuweichen, sondern drehte sich blitzartig zur Seite und machte einen Satz nach vorne, sodass er mit einem Mal neben einem zweiten Mann stand. Er packte dessen Schwertarm und drückte ihn zur Seite. Der Muschelfischer, der sich eben noch auf ihn hatte stürzen wollen, kämpfte plötzlich mit wild rudernden Armen darum, sich nicht selbst an der Klinge seines Freundes aufzuspießen.
Andrej entriss dem Mann die Waffe und tauchte unter dem nächsten Stich hinweg, der nach seinem Kopf geführt wurde.
Dem letzten unbeabsichtigten Angriff seines Freundes war der Muschelfischer mit Mühe und Not entgangen. Den meterlangen Krummsäbel, der wie aus dem Nichts hinter ihnen erschien und ihm den Arm dicht oberhalb des Ellbogens abtrennte, sah er nicht einmal kommen, und anscheinend spürte er im allerersten Moment auch nichts. Er stand einfach nur da und starrte verblüfft seinen Armstumpf an, aus dem Blut wie aus einem durchschnittenen Wasserschlauch spritzte. Derselbe verblüffte Ausdruck blieb auch noch auf seinem Gesicht, als der Säbel eine zweite blitzartige Bewegung machte und ihn enthauptete.
Schreie gellten. Die Menge explodierte in reiner Panik und stürmte in alle Richtungen zugleich davon. Noch bevor der enthauptete Leichnam zu Boden fiel, tänzelte die Nubierin bereits herum und stieß einem zweiten Mann die Klinge in die Brust.
Andrej erwachte aus seiner Erstarrung, rammte dem Mann neben sich den Ellbogen ins Gesicht, was ihn vielleicht ein paar Zähne kostete, ihm aber auch auf der Stelle das Bewusstsein raubte und somit möglicherweise das Leben rettete. Dann stürzte Andrej sich auf die Nubierin, aber sie schien die Bewegung vorausgeahnt zu haben und empfing ihn mit einem harten Tritt gegen das Knie, der ihn aus dem Gleichgewicht brachte.
Als er die Balance zurückgewonnen hatte, spaltete die Kriegerin die Schulter eines dritten Mannes mit einem gewaltigen beidhändigen Schwerthieb, der das Blut meterweit spritzen ließ. Andrej war entsetzt. Er wusste, was für schreckliche Gegnerinnen die beiden nubischen Schwestern waren, aber er hatte sie niemals so brutal kämpfen sehen. Es schien, als ob sie ganz bewusst nicht nur Tod, sondern vor allem Schrecken und Entsetzen verbreiteten.
Entschlossen fasste Andrej seinen Degen fester, ignorierte das beharrliche Flüstern hinter seiner Stirn, das ihm klarzumachen versuchte, was für eine erbärmliche Waffe ein Rapier gegen den schweren Krummsäbel war, und wollte sich gerade auf die Kriegerin stürzen, als er Corinna hinter sich schreien hörte.
Was ihm einen eisigen Schauer über den Rücken jagte und mitten in der Bewegung herumfahren ließ, war indes nicht ihr Schrei, sondern die Plötzlichkeit, mit der er abbrach.
Natürlich war auch hinter ihm Panik ausgebrochen. Menschen stürzten in kopfloser Furcht davon, brachten sich gegenseitig zu Fall, trampelten übereinander, und er brauchte einen Sekundenbruchteil, um Corinna zu entdecken. Sie hatte aufgehört zu schreien, weil eine zweite ganz in Schwarz gekleidete Gestalt ihr den Mund zuhielt und sie mit sich zerrte, ohne auf ihr verzweifeltes Strampeln und Umsichschlagen zu achten. Rücksichtslos stieß er zwei, drei Männer zur Seite, die ihm nicht schnell genug auswichen, und stürmte Corinna und ihrer Entführerin hinterher.
Er kam auf zwei oder drei Schritte heran, ehe die andere Nubierin ihn ansprang und von den Füßen riss.
Andrej schlug so hart mit der Stirn auf, dass er etliche Sekunden lang benommen war. Die Nubierin nutzte die Chance, um ihn mit den Knien am Boden festzunageln und zugleich den Arm um seinen Hals zu schlingen und ihm mit aller Kraft den Atem abzuschnüren.
Dennoch war es ein Fehler.
Mit einem Schwert oder einer beliebigen anderen Waffe wäre die nubische Kriegerin eine
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