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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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bei Todesstrafe verboten, sie zu verlassen. Ich meine: Könnte es ein besseres Versteck für deine drei Freundinnen geben?«
    Wahrscheinlich nicht, musste Andrej zugeben. Aber er verstand dennoch nicht, warum Meruhe Corinna und ihn hierhergebracht hatte.
    Und nicht nur sie. Auch Rezzori befand sich bei ihnen, und er war in keinem guten Zustand. Zwei Männer hatten ihn hier abgeladen wie einen Kartoffelsack, und Rezzori war stöhnend in sich zusammengesackt. Er sah schrecklich aus und war offensichtlich nicht bei Bewusstsein.
    Das Geräusch einer aufgehenden Tür ließ Andrej herumfahren, bevor er einen weiteren Gedanken an den Herrn der Signori di Notte verschwenden konnte. Sein Herz begann, schneller zu schlagen, aber statt einer neuen Schreckensgestalt betrat ein gebeugter alter Mann mit schütterem Haar den Raum. Erst nachdem er näher gekommen war, erkannte Andrej ihn: Es war Scalsi!
    Er hatte sich verändert. Sein Gesicht, das auch vorher schon nicht besonders gesund ausgesehen hatte, war jetzt grau und eingefallen und erinnerte an das eines wandelnden Toten. Der Mann bewegte sich mit hängenden Schultern und kleinen hölzernen Schritten, fast wie eine Marionette, an deren Fäden ein nicht besonders talentierter Spieler zog. Andrej fiel der üble Geruch auf, den er verströmte. Offenbar hatte er sich seit Tagen nicht gewaschen und war auch bei der Verrichtung anderer körperlicher Bedürfnisse nicht sehr sorgfältig gewesen.
    »Dottore?« ,fragte Corinna erschrocken.
    Scalsi sah nicht einmal in ihre Richtung, sondern schlurfte langsam näher und blieb drei Schritte vor Meruhe stehen. Sein Blick war auf dieselbe schreckliche Art leer wie der ihre. Er schien etwas sagen zu wollen, aber alles, was er zustande brachte, war ein schwächliches Zittern der Lippen. Andrej lauschte in ihn hinein. Zweifellos brannte Scalsis Lebensflamme noch, doch darüber hinaus empfand er nichts als Furcht und Leid und unbeschreibliche Qual. Der Körper des Arztes bewegte sich, sein Herz schlug, aber sein Geist befand sich schon lange in der Hölle. »Es ist alles bereit«, sagte Scalsi. »Wir warten nur noch auf Euch.«
    »Nicht auf mich?«, wollte Andrej wissen. »Wenn das so ist, dann sollten wir vielleicht gehen. Die Contessa und ich wollen auf keinen Fall bei etwas Wichtigem stören.«
    Diese Aussage war nicht einmal albern, sondern einfach nur dumm. Andrej fragte sich selbst, warum er das gesagt hatte, und Corinna sah ihn an, als zweifle sie an seinem Verstand. Doch weder Meruhe noch der Dottore ließen sich auch nur anmerken, ob sie die Worte überhaupt gehört hatten. Die Nubierin nickte dem Arzt so knapp zu, dass die Bewegung eigentlich nur zu erahnen war. Eine der beiden Kriegerinnen schlug Andrej die Faust mit solcher Gewalt in die Nieren, dass die Welt in einer Lohe aus weißem Schmerz explodierte.
    Als er wieder halbwegs klar denken konnte, lag er auf den Knien und kämpfte mit aller Gewalt darum, nicht das Bewusstsein zu verlieren.
    »Lass das!«, sagte Corinna aufgebracht. »Hast du den Verstand verloren? Was hat er dir getan?«
    Andrej hätte sie gerne zum Schweigen gebracht, schon weil er Angst hatte, dass sich der Zorn der Kriegerin nun auf sie richten würde. Außerdem fand er ihren Versuch, ihn zu beschützen, zwar rührend, aber auch vollkommen naiv.
    Erstaunlicherweise verzichtete die Kriegerin darauf, Corinna irgendetwas anzutun – was vermutlich an dem scharfen Blick lag, den Meruhe ihr zuwarf. Doch Corinna tat noch ein Übriges und stellte sich schützend vor ihn, und das war nun nicht mehr nur naiv, sondern schlichtweg lebensgefährlich.
    »Hört auf«, presste er mühsam hervor. Schwerfällig stemmte er sich hoch, richtete sich mit zusammengebissenen Zähnen ganz auf und versuchte, sich zwischen Corinna und Meruhe zu schieben.
    »Lasst sie in Ruhe«, sagte er. »Sie hat mit alldem nichts zu tun. Macht mit mir, was ihr wollt, aber lasst sie gehen.«
    Das war mindestens so naiv wie das, was Corinna gerade getan hatte, nur dass sie es auf ihre Jugend schieben konnte, er jedoch nicht.
    Aber er war es ihr einfach schuldig. Und wenn nicht ihr, dann sich selbst.
    Zu seinem großen Erstaunen sah ihn Meruhe jedoch nur eine Zeit lang nachdenklich an und nickte schließlich. Eine der beiden Kriegerinnen ergriff Corinna fast behutsam am Arm und führte sie ein paar Schritte weit weg.
    Schließlich nickte Meruhe noch einmal und machte zugleich eine Geste zu der Tür, durch die Scalsi hereingekommen war. Andrej setzte sich

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