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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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Fäuste mehrmals hintereinander und mit so erstaunlicher Wucht in seinem Gesicht, dass seine Nase heftig zu bluten begann. Jemand schrie – offenbar eine Frau –, aber er hörte auch Gelächter und anfeuerndes Johlen, und erst jetzt registrierte er die schrille Musik, die von überall her zu kommen schien. Etwas klatschte nur ein Stück neben ihm ins Wasser, doch als er hinsah, erblickte er statt eines Seiles oder Rettungsrings lediglich eine leere Weinflasche, die irgendein hilfreicher Bürger der Stadt nach ihm geworfen hatte.
    Andrej biss die Zähne zusammen, schwamm auf dem Rücken liegend weiter und verrenkte sich fast den Hals, um zum Ufer zu spähen. Es war keine drei Schwimmzüge entfernt, aber selbstverständlich hatte das Schicksal entschieden, in diesem Moment Ebbe herrschen zu lassen, und die nächste Treppe war weit weg.
    Der schmale Schatten, den er aus den Augenwinkeln auf sich zugleiten sah, war deutlich näher.
    Andrej korrigierte seinen Kurs um eine Winzigkeit und schwamm nun direkt auf die Gondel zu.
    »Andrej, ich … ertrinke!«, brachte Corinna unter heftigem Keuchen und Würgen heraus. Sie schnappte qualvoll nach Luft. »Hilf mir!«
    »Nein, tust du nicht«, antwortete Andrej und nahm einen weiteren derben Nasenstüber in Kauf, als er die Hand nach der langen Stange des Gondoliere ausstreckte und sich daran festklammerte. Der Mann reagierte zwar mit einer wenig freundlichen Bemerkung in seiner Muttersprache, nahm die Stange aber in eine Hand und ging rasch in die Hocke, um Andrej den anderen Arm entgegenzustrecken.
    Andrej griff nicht nach der hilfreich dargebotenen Hand, sondern stemmte Corinna weit genug hoch, dass der Gondoliere sie ergreifen und wenig sanft, aber sehr schnell in sein schwankendes Gefährt ziehen konnte.
    Am Ufer hinter ihnen hatte sich mittlerweile eine kleine Menschenmenge eingefunden, die ihnen aufgeregt zusah (einige von ihnen applaudierten auch oder feuerten sie unter heftigem Johlen und Gestikulieren an), doch Andrej entdeckte auch eine Anzahl dunkel gekleideter Gestalten, die aus der Richtung der Brücke herbeigeeilt kamen, um sich unauffällig unter die angetrunkenen Gaffer zu mischen.
    Der Gondoliere beugte sich abermals vor und streckte die Hand aus, und diesmal griff Andrej danach, stützte sich mit der anderen am Bootsrand ab und ruckte kurz. Der Gondoliere fand nicht einmal mehr die Zeit für einen überraschten Schrei, bevor er auch schon kopfüber im Wasser landete.
    Andrej zog sich so kraftvoll in die Gondel, dass das schlanke Boot bedrohlich ins Wanken geriet, rollte keuchend auf den Rücken und vernahm ein sonderbares Rauschen und Raunen, das er im allerersten Moment nicht deuten konnte. Dann wurde ihm klar, dass es Applaus war.
    Hastig stemmte er sich hoch, wollte sich zu Corinna beugen, besann sich aber eines Besseren, als er sah, wie das halbe Dutzend schwarz vermummter Gestalten auf den Punkt zuzueilen begann, den die führerlose Gondel ansteuerte.
    Statt Corinna zu helfen, griff er hastig nach der Stange, die tief genug im schlammigen Grund des Kanals stecken geblieben war, um nur ganz langsam zur Seite zu kippen, und stemmte sich mit solcher Kraft dagegen, dass er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte, als das schlanke Gefährt wie ein von der Sehne geschnellter Pfeil losschoss. Einen kurzen, aber schrecklichen Moment lang steuerte es weiter auf die schwarz gekleideten Phantome zu, bevor es ihm gelang, seinen Kurs zu korrigieren und wieder die Mitte des Kanals anzusteuern.
    Hinter ihm rang der Gondoliere keuchend nach Luft und rief ihm, als er wieder zu Atem gekommen war, eine wahre Flut von Beschimpfungen und Flüchen nach.

Kapitel 28
    Nachdem sie einige Zeit gelaufen waren, fanden sich Andrej und Corinna inmitten einer ausgelassen feiernden Menge wieder, nicht einmal weit von der Stelle entfernt, an der sie den Platz am Nachmittag das erste Mal betreten hatten. Sie hatten die Gondel versteckt, so gut es ging, und sich im Schutz der Dunkelheit zu Fuß in Richtung Markusplatz aufgemacht. Dieser war nicht wiederzuerkennen. Sämtliche Gebäude waren hell und zum Teil kunstvoll beleuchtet, und die Menschenmenge war tatsächlich noch größer, als Andrej selbst nach Corinnas Ankündigung erwartet hatte. In dieser Menschenmenge würden sie sich nicht nur perfekt verstecken können, sondern mussten sogar aufpassen, sich nicht aus den Augen zu verlieren. Überall wurde gefeiert und gelacht, und er sah zahlreiche Gaukler und Faxenmacher, die darum

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