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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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du es mir eigentlich jemals verziehen?«, fragte er.
    »Was?« Abu Dun spielte perfekte Verständnislosigkeit, aber Andrej durchschaute ihn.
    »Meruhe.«
    »Blödsinn!«, polterte Abu Dun.
    »Ist es das?«, beharrte Andrej.
    »Wir hatten schon mehr als einmal dieselbe Frau«, sagte Abu Dun. »Ein- oder zweimal sogar gleichzeitig, wenn ich mich richtig erinnere.«
    »Du weißt, wovon ich spreche.« Als Abu Dun ihn nur anfunkelte, fuhr Andrej fort: »Was nimmst du mir übel? Dass sie sich für mich entschieden hat oder dass wir nicht zusammengeblieben sind?«
    »Wer erträgt es schon, ein Jahrhundert lang mit demselben Menschen zusammen zu sein?«, antwortete Abu Dun.
    »Du«, erwiderte Andrej. »Mit mir, und sogar noch sehr viel länger.«
    »Und wer sagt dir, dass ich es ertrage?«, gab Abu Dun zurück. Es klang wie ein Scherz, und in seinen Augen blitzte es auch spöttisch auf, doch Andrej spürte, dass da noch mehr war.
    »Mir ist nicht nach Scherzen zumute«, sagte er.
    »Und wenn, wären sie schlecht«, brummte Abu Dun. »Ich halte es für Zeitverschwendung, noch länger hierzubleiben. Wenn Meruhe hier wäre, hätten wir sie längst gefunden oder wenigstens etwas über sie gehört. Venedig ist eine große Stadt, aber Meruhe ist niemand, den man so schnell vergisst. Lass uns den Jungen nehmen und von hier verschwinden! Am besten noch heute … oder spätestens morgen.«
    Andrej wollte antworten, schluckte die Worte aber dann wieder hinunter, als der Wirt zurückkam und nicht nur einen weiteren Krug Bier brachte, sondern auch eine bauchige Karaffe, die einen dunkelroten und stark riechenden Wein enthielt.
    »Mein bester Chianti«, sagte er strahlend, während er sie vor ihm auf dem Tisch abstellte. Das dazugehörige Glas grub er aus seiner Schürzentasche und war sogar so fürsorglich, es mit der Manschette seines Hemdes auszuwischen. »Er wird Euch munden, da bin ich sicher. Einen solchen Tropfen bekommt Ihr nicht einmal im Palast des Dogen.«
    »Das glaube ich dir aufs Wort«, spöttelte Abu Dun.
    Verletzt sah der Wirt ihn an, schenkte Andrej aber nur ein umso strahlenderes Lächeln und schenkte ihm ein. Da er keine Anstalten machte, wieder zu gehen, nahm Andrej all seinen Mut zusammen, kostete den Wein und erlebte eine Überraschung. Er war köstlich.
    »Ausgezeichnet«, lobte er.
    Der Wirt strahlte, blieb aber weiter stehen, und Abu Dun polterte: »Was ist denn noch?«
    »Habt Ihr Euch mein Angebot von heute Morgen überlegt?«, fragte der Wirt.
    »Die Arbeit am Hafen?« Andrej verneinte. »Das ist nichts für uns.«
    »Und wir verlassen die Stadt bald«, fügte Abu Dun unaufgefordert hinzu. »Vielleicht schon morgen.«
    »Morgen?« Der Wirt nutzte die Gelegenheit, einen Stuhl zurückzuziehen und sich uneingeladen darauf niederzulassen. »Das könnte schwierig werden.«
    »Warum?«, fragte Andrej.
    »Man merkt, dass Ihr zum ersten Mal hier seid. In ein paar Tagen beginnt der Carnevale. Wenn ihr die Stadt nicht zu Fuß verlassen oder schwimmen wollt, werdet Ihr Probleme haben, von hier wegzukommen. Zurzeit wollen alle in die Stadt, nicht hinaus.«
    Abu Duns Miene wurde finster, aber Andrej sagte: »Es muss doch ein Schiff geben, das von hier ablegt.«
    »Nicht in absehbarer Zeit«, erwiderte der Wirt. Er versuchte angemessen betrübt auszusehen, aber es gelang ihm nicht. »Die Kriegsvorbereitungen, Ihr versteht? Sie konfiszieren jedes Schiff, das größer ist als eine Gondel, und auch die, die nicht kriegstauglich sind, werden zumeist erst nach dem Carnevale wieder auslaufen … sobald die Matrosen wieder nüchtern genug sind, um nicht sofort ins Wasser zu fallen. Und die wenigen, die sich nicht für den Carnevale interessieren –«
    Andrej sollte nie erfahren, was der Mann meinte, denn in diesem Moment erscholl aus der Küche ein gellender Schrei. Blitzartig sprang Abu Dun auf und über den Tisch und lief los, wobei er zwei oder drei der anderen Zecher (mitsamt dem Wirt) über den Haufen rannte. Andrej jagte kaum weniger schnell hinter ihm her, warf sich durch die Tür und prallte auf der anderen Seite mit solcher Wucht gegen den breiten Rücken des Nubiers, dass ein weniger starker Mann als Abu Dun wohl von den Füßen gerissen worden wäre. Selbst der nubische Riese wankte, gab aber nur ein unwilliges Knurren von sich.
    Andrej fand mit einiger Mühe sein Gleichgewicht wieder, trat um den Nubier herum und erstarrte dann genau wie dieser.
    Der Anblick war … bemerkenswert. Der Schrei hatte ganz wie der eines

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