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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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Andrej.
    »Und du willst das Bier wirklich nicht?«, vergewisserte sich Abu Dun, griff aber vorsichtshalber schon einmal nach dem Krug, bevor Andrej es sich vielleicht doch noch anders überlegen konnte.
    »Dann bringe ich Euch einen Chianti«, sagte der Wirt eifrig. »Den besten, den ich habe. Den habt Ihr Euch verdient.«
    »Und zugleich den einzigen, den er vermutlich hat«, murmelte Abu Dun, als sich der Mann abwandte und in Schlangenlinien zwischen den überfüllten Tischen die Theke ansteuerte. »Ich hoffe nur, er ist dir auch fein genug.«
    Andrej wechselte wieder ins Arabische, und seine Stimme wurde schärfer und auch lauter. »Das reicht, Pirat. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich mich bei deinen Frauengeschichten meist zurückgehalten.«
    »Ich hatte es ja auch nie mit so feinen Damen aus der besseren Gesellschaft zu tun«, stichelte der Nubier unverdrossen weiter. Er schien aber auch selbst zu spüren, dass er den Bogen zu überspannen drohte, denn er hob besänftigend die rechte Hand. Mit der anderen setzte er den erbeuteten Bierkrug an und nahm einen gewaltigen Schluck, wie Andrej nicht ohne eine gewisse Schadenfreude registrierte. Etwas Kleines bewegte sich zwischen seinen Zähnen, als er sich den Schaum von den Lippen wischte und fortfuhr: »Nein, im Ernst, Hexenmeister. Kommt es dir nicht selbst ein wenig komisch vor?«
    »Dass du neidisch auf mich bist? Seit wann wäre das etwas Neues?«
    »Ich werde immer misstrauisch, wenn etwas zufällig geschieht«, antwortete Abu Dun. Er trank einen weiteren Schluck, aber der schwarze Fleck blieb auf seinen Zähnen.
    »Weißt du, warum es in jeder Sprache der Welt das Wort Zufall gibt?«, erwiderte Andrej gereizt. Er wusste sehr wohl, worauf der Nubier hinauswollte, und auch, dass er vermutlich nicht falsch mit seiner Vermutung lag. »Weil es eben doch so etwas wie Zufall gibt.«
    Abu Dun legte den Kopf auf die Seite und sah ihn nun beinahe mitleidig an, fuhr aber trotzdem fort: »Und rein zufällig verirrt sich eine Dirne aus den besseren Kreisen in dieses von Ratten verseuchte Viertel, gerade als wir mit unserem Latein am Ende sind und ernsthaft überlegen aufzugeben. Rein zufällig lässt sie sich genau mit dir ein.« Er machte ein grüblerisches Gesicht. Seine linke Augenbraue hob sich, als erwarte er energischen Widerspruch, doch Andrej betrachtete fasziniert den kleinen schwarzen Punkt, der auf Abu Duns strahlend weißen Zähnen ganz besonders gut zur Geltung kam und nun winzige Beinchen und Flügel bekam. Deshalb fuhr er nach einer Weile fort: »Ich will dir nicht zu nahe treten, Hexenmeister, aber unser Wohltäter hat recht, was unsere Kleidung angeht. Und was uns selbst betrifft, wohl auch. Wir haben schon bessere Zeiten erlebt. Du bist ein gut aussehender Mann – fast so gut wie ich –, aber zurzeit gehen wir allerhöchstem als gut aussehende Tagelöhner durch.«
    »Einer von uns nicht einmal das«, sagte Andrej, doch Abu Dun ignorierte ihn.
    »Eine Dirne dieser Preisklasse würde einem wie uns nicht einmal gestatten, ihren nackten Knöchel zu sehen, von allem anderen ganz zu schweigen.«
    »Vielleicht ist sie ja eine Tochter aus gutem Haus, die auf ein Abenteuer aus war«, sagte Andrej. Wie hatte Scalsi sie genannt? Contessa? Aber dann dachte er wieder daran, was sie oben in der Dachstube mit ihm gemacht hatte, und schob den Gedanken als lächerlich von sich.
    »Eine nette Idee«, antwortete Abu Dun. »Solche Fantasien hatte ich auch mal. Damals war ich zehn oder elf, glaube ich.«
    »Worauf willst du hinaus?«, fragte Andrej. Als ob er die Antwort nicht längst wüsste – oder sich dieselbe Frage nicht auch schon gestellt hätte!
    »Ganz zufällig bestiehlt sie dich, bekommt prompt ein schlechtes Gewissen und kommt reumütig zurück, um dir alles zu beichten. Und dann wird sie auf dem Weg hierher überfallen und schafft es gerade noch bis in deine starken Arme, damit du sie retten kannst!« Abu Dun schnaubte. »Gerade im richtigen Moment, damit du den tapferen Recken spielen kannst, der sie aus höchster Not befreit!« Er schnalzte laut und abfällig. »Sie waren zu fünft, Hexenmeister!«
    »Und?«
    »Es war zu leicht.«
    »Zu leicht?« Andrej ächzte. »Was war deiner Meinung nach zu leicht? Das Messer, das ich beinahe in den Rücken bekommen hätte, oder der Umstand, dass ich noch drei Tage lang Blut pinkeln werde?«
    »Wirst du nicht«, sagte Abu Dun.
    »Nein«, räumte Andrej ein. »Werde ich nicht. Aber du weißt genau, was ich

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