Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod
trinkt.«
Der Mann kannte Abu Dun nicht, dachte Andrej, sonst hätte er dieses Angebot gewiss nicht gemacht. Laut sagte er: »Und wie kommen wir zu der Ehre, wo Ihr doch unseretwegen so viel Ärger hattet?«
»Ärger?« Der Gastwirt machte ein überraschtes Gesicht und schüttelte so heftig den Kopf, dass … irgendetwas … aus seinem schmutzigen Haar flog und in Andrejs Krug landete. »Aber ich bitte Euch! Etwas Besseres konnte mir gar nicht passieren! Was Ihr getan habt, hat sich im ganzen Viertel herumgesprochen. Seht Euch doch nur um! Ich kann mich kaum retten vor Gästen, die den ganzen Tag über kommen und alles über diesen fantastischen Kampf hören wollen!«
»So viel zum Thema ›unauffällig bleiben‹«, knurrte Abu Dun auf Arabisch.
»Übertreibt es nicht«, erwiderte Andrej, an beide gewandt. »Es waren nur ein paar dahergelaufene Halunken.«
»Fünf, um genau zu sein«, sagte der Wirt. »Und Ihr habt es ihnen richtig gezeigt! Die Leute hier mögen es nicht, wenn fremdes Gesindel in unser Viertel kommt, um Ärger zu machen.«
»Fremdes Gesindel?«, fragte Abu Dun und rückte seinen bereits perfekt sitzenden Turban zurecht. Andrej schob unauffällig seinen Krug ein Stück von sich weg. Irgendetwas zappelte in dem gelblichen Schaum, der knisternd in sich zusammensank. Eigentlich schade, dachte Andrej. Ihm war nicht nach Alkohol, aber es war das erste wirklich frische Bier, das sie bekamen, seit sie in dieser Stadt waren.
»Oh nein, damit meine ich nicht Euch«, sagte der Wirt hastig, »sondern die Kerle, die Signore Andrej Mores gelehrt hat!«
Abu Dun grunzte missgelaunt, aber Andrej vergewisserte sich: »Sie waren also noch nie zuvor hier?« Etwas an diesem Umstand störte ihn, auch wenn es nur ein vages Gefühl war.
»Ich habe sie noch nie gesehen«, bestätigte der Wirt.
»Und das Mädchen?«, hakte Abu Dun nach.
»Die hübsche Signorina?« Der Mann entblödete sich – natürlich – nicht, Andrej auf anzügliche Art zuzublinzeln, und schüttelte dann den Kopf. »Ich habe sie hier noch nie gesehen, aber das muss nichts heißen. Wenn der Carnevale vor der Tür steht, verirren sich auch solche aus den feinen Gegenden zu uns, die man sonst nie hier sehen würde.«
»Leute aus der Carampane« ,vermutete Abu Dun, und Andrej runzelte die Stirn. War die Carampane nicht das Prostituiertenviertel? Und wenn ja: Was sollte diese blöde Anspielung dann? Der Wirt starrte Abu Dun an, als frage er sich, ob ihn sein Gast vielleicht auf den Arm nehmen wollte, und rettete sich schließlich in ein ganz und gar unechtes Lachen. »Ja, solche auch. Aber auch wirklich vornehme Signori und Signorine.«
»Und unsere Signorina ist ja nun wirklich etwas Besonderes, oder?«, stichelte Abu Dun.
Das Feixen des Gastwirtes wurde noch einmal anzüglicher. »Etwas Besonderes mit Sicherheit«, griente er. »Fragt sich nur, in welcher Beziehung.«
»Du kennst sie also doch«, sagte Abu Dun, bekam auch jetzt wieder ein heftiges Kopfschütteln zur Antwort – und das zappelnde Etwas in Andrejs Bier Gesellschaft. »Nein, sie war niemals hier. Eine so feine Dame würde sich normalerweise niemals zu so armen Leuten wie uns verirren.«
Andrej schob seinen Bierkrug über den Tisch und machte eine auffordernde Geste. Abu Dun sah ihn erstaunt an.
»Ich bin nicht so durstig«, sagte Andrej. »Ich glaube, ich habe gestern ohnehin zu viel getrunken. Vielleicht bleibe ich heute bei Wasser.«
»Du hast das Mädchen also noch niemals hier gesehen«, vergewisserte sich Abu Dun noch einmal.
»Daran würde ich mich erinnern«, bestätigte der Wirt.
»Weil du Damen zweifelhaften Rufs nicht in deinem Etablissement duldest«, vermutete Abu Dun.
Falls der Wirt die Spitze bemerkt hatte, überging er sie. »Weil sich die feinen Herrschaften normalerweise nicht hierher verirren.«
»So besonders kam sie mir gar nicht vor«, sagte Abu Dun. »Ich finde, sie hat sogar den einen oder anderen unfeinen Zug an sich.«
Andrej warf ihm einen giftigen Blick zu, und der Wirt schüttelte noch einmal den Kopf. »Habt Ihr ihre gepflegten Hände nicht bemerkt und ihr prachtvolles Haar und die reine Haut?«, fragte er. »Oh nein, ich weiß nicht, wer diese entzückende Signorina war … gewiss niemand, der reich und adelig geboren wurde oder in einem Palazzo lebt, aber ich bin sicher, sie geht in einigen ein und aus. Vor allem in gewissen Zimmern.« Er grinste Andrej schmierig an. »Ihr habt einen guten Geschmack, Signore.«
»Hm«, machte
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