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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wir unsichtbar. Mach dir also keine Sorgen. Auch die Tiere können uns nichts anhaben. Wir sind hier nur Beobachter, wir können nichts bewirken. Komm, ich kenne diese Gegend in- und auswendig, folge mir, und du wirst merken, daß es einen bequemen Pfad durch diese Wildnis gibt. Ich muß dir eine Menge erzählen. Einiges um uns herum wird sich verändern.«
    »Und dein Körper ist keine Illusion? Der ist real?«
    »Engel sind von Natur aus unsichtbar«, antwortete er. »Das heißt, wir bestehen nicht aus Materie, wenn man den Begriff irdische Materie oder Materie des physikalischen Universums benutzt oder wie auch immer du das für dich definieren würdest. Aber du hattest recht mit deiner ursprünglichen Theorie, daß wir eine Art Wesenskern, den essentiellen Mittelpunkt unseres Seins, haben; um den herum können wir aus verschiedenen Quellen Materie ansammeln, um uns einen vollständigen, funktionierenden Körper zu schaffen, den wir auch genauso wieder zerstören und verschwinden lassen können, so wie es uns eben angebracht erscheint.«
    Wir gingen langsam und gemächlich durch das Gras. Meine Schuhe, robust genug für den New Yorker Winter, waren für den unebenen Boden gerade richtig.
    »Ich will damit sagen«, erläuterte Memnoch und blickte mich dabei mit seinen großen, mandelförmigen Augen an, »daß ich diesen Körper nicht geliehen oder mir nur ausgedacht habe. Es ist einfach mein Körper, wenn ich ihn erst mit Materie umgeben und durchdrungen habe. Mit anderen Worten, er ist das natürliche Ergebnis davon, daß mein Wesenskern all die Materie an sich gezogen hat, die er für einen Körper benötigt.«
    »Du meinst, du erscheinst, wie du erscheinst, weil das einfach dein Erscheinungsbild ist.«
    »Genau. Die Teufelsgestalt ist eine Buße, die Gestalt des Unauffälligen ist ein Euphemismus. Aber so wie jetzt sehe ich wirklich aus. Überall im Himmel gibt es Engel so wie mich. Nur hattest du dein Augenmerk hauptsächlich auf die menschlichen Seelen gerichtet. Aber die Engel waren auch da.«
    Ich versuchte mich zu erinnern. Hatte es dort größere, geflügelte Wesen gegeben? Ja, vielleicht schon, aber ich war mir nicht sicher. Der glückselige, dröhnende Hall des Himmels tönte plötzlich in meinen Ohren. Ich spürte die Freude, die Gewißheit und auch die Zufriedenheit all derer, die dort existierten. Aber Engel - nein, sie waren mir nicht aufgefallen.
    »Ich nehme meine eigene Gestalt an«, fuhr Memnoch fort, »wenn ich mich im Himmel aufhalte oder außerhalb der Zeit. Wenn ich sozusagen für mich bin und nicht auf dem Weg zur Erde. Andere Engel, Michael, Gabriel, sie alle können auch auf der Erde in ihrer glorifizierten Gestalt erscheinen, wenn sie wollen. Auch das wäre nur natürlich. Wie durch magnetische Anziehungskraft legt sich Materie um sie, so daß sie wunderbar aussehen, so wie Gott sie geschaffen hat. Aber in den seltensten Fällen lassen sie sich so sehen. Sie wählen einen ganz durchschnittlichen menschlichen Körper, weil es viel einfacher so ist. Ständig Menschen in überwältigende Ehrfurcht zu versetzen dient unseren Zwecken nicht besonders weder denen des Herrn noch meinen.«
    »Und das ist genau meine Frage. Was ist der Zweck? Was betreibst du, wenn du denn nicht böse bist?«
    »Laß mich mit der Schöpfung beginnen. Und laß dir von vornherein sagen, daß ich nichts darüber weiß, woher Gott gekommen ist oder warum oder auf welche Weise. Das weiß niemand. Die Chronisten mystischer Ereignisse, die irdischen Propheten, ob Hindus oder Anhänger Zarathustras, ob Hebräer oder Ägypter - sie alle haben erkannt, daß man den Ursprung Gottes unmöglich verstehen kann. Auch für mich ist das nie eine Frage gewesen, obwohl ich vermute, daß wir es am Ende aller Zeiten wissen werden.«
    »Du meinst, Gott hat nicht verheißen, daß wir von seiner Herkunft erfahren.«
    »Weißt du was?« lächelte er. »Ich glaube, Gott kennt sie selbst nicht. Ich glaube, daß das materielle Universum nur den einen Zweck hat: Gott glaubt, indem Er die Evolution des Universums beobachtet, könnte Er das Geheimnis seiner Herkunft enträtseln. Was Er in Bewegung gesetzt hat, ist ein gigantischer Wilder Garten, ein riesenhaftes Experiment, um herauszufinden, ob es schließlich Wesen wie Ihn selbst hervorbringen wird. Wir sind nach Seinem Bild gemacht, wir alle. Er ist anthropomorph, zweifellos, aber dennoch besteht Er nicht aus Materie.«
    »Und als das Licht erschien, als du da im Himmel deine Augen bedeckt

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