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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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geräuschlos landeten.
    Auch das hier war ein Garten, ruhig und wunderschön. Doch es war die Erde. Ich wußte es. Meine Erde; und ich empfand sie mit ihren Gerüchen und ihrer Stofflichkeit keineswegs als enttäuschend. Im Gegenteil, ich ließ mich ins Gras fallen und grub meine Finger tief in die Erde, spürte sie weich und krümelig unter den Fingernägeln. Ich schluchzte, schmeckte feuchte Erde.
    Die Sonne schien auf uns beide herab. Sie konnte mir hier nichts anhaben. Memnoch saß da, und während er mich beobachtete, verblaßten seine riesigen Flügel langsam. Nun waren wir beide menschenähnlich, der eine schwach und weinend wie ein Kind, der andere ein mächtiger Engel, nachdenklich und abwartend, sein Haar eine Mähne allmählich verblassenden Lichtes.
    Ich richtete mich auf. »Du hast gehört, was Er zu mir gesagt hat!« rief ich. Meine Stimme schien mir ohrenbetäubend, doch sie war wohl gerade laut genug, um gut verständlich zu sein. »Er hat gesagt:
    >Du würdest doch nie mein Gegner sein wollen!< Du hast Ihn gehört! Er hat mich beim Namen genannt.«
    Memnoch war vollkommen ruhig und natürlich noch viel verführerischer und bezaubernder in dieser hellen, engelsgleichen Gestalt, als er je als der Unauffällige gewesen war.
    »Natürlich nannte er dich beim Namen.« Er hob die Augenbrauen. »Er will nicht, daß du mir hilfst; das sagte ich dir doch schon. Ich stehe vor dem Sieg.«
    »Aber was haben wir da gemacht? Wie konnten wir den Himmel betreten, wenn wir doch gegen ihn sind?«
    »Schließ dich mir an. Lestat, sei mein Statthalter, und du kannst im Himmel kommen und gehen, wie du willst.«
    Ich starrte ihn erstaunt an. »Das meinst du wörtlich? Kommen und gehen?«
    »Ja. Jederzeit. Wie ich es gesagt habe. Kennst du die Schrift nicht? Ich behaupte nicht, daß die noch vorhandenen Fragmente oder die ursprünglichen Texte authentisch sind, aber du kannst natürlich kommen und gehen. Du gehörst nicht eher zu diesem Ort, bis du erlöst bist und deshalb hineinkommst. Aber ganz sicher kannst du hinein und wieder hinaus, wenn du erst an meiner Seite bist.«
    Ich versuchte, mir über seine Worte klarzuwerden, versuchte, mir die Galerien und Bibliotheken mit ihren langen Buchreihen vorzustellen, und merkte plötzlich, wie unwirklich mir alles vorkam; die Einzelheiten entglitten mir schon. Nur ein Zehntel dessen, was ich gesehen hatte, kam mir noch vor Augen, vielleicht sogar weniger. Was ich hier in diesem Buch beschreibe, ist das, woran ich mich soeben noch erinnern konnte. Und so vieles mehr war da gewesen!
    »Wie kann das möglich sein, daß Er uns in den Himmel läßt?« fragte ich. Ich wollte mich auf die Worte der Schrift konzentrieren, auf etwas, das David vor langer Zeit über das Buch Hiob erzählt hatte und über Satan, der umherschweifte und zu dem Gott ganz nebenbei sagte: »Wo bist du gewesen?« Irgendeine Erklärung des bene ha elohim des Himmlischen Hofes.
    »Wir sind seine Kinder«, entgegnete Memnoch. »Willst du hören, wie alles begann, willst du die volle Wahrheit über die Geschichte von Schöpfung und Sündenfall wissen, oder willst du nur einfach zurück und dich in Seine Arme werfen?«
    »Was bleibt mir sonst?« fragte ich. Aber ich kannte die Antwort. Ich verstand Memnochs Worte sehr gut. Man kam nicht bedingungslos in den Himmel! Ich konnte nicht einfach hingehen, das wußte Memnoch. Sicher, ich hatte die Wahl, nämlich entweder ihm zu folgen oder zur Erde zurückzukehren. Aber in den Himmel würde ich nicht automatisch eingelassen. Seine Bemerkung war der reine Sarkasmus. Ich konnte nicht zurück und mich in Seine Arme werfen.
    »Da hast du recht«, sagte Memnoch. »Und doch hast du auch unrecht.«
    »Ich will die Hölle nicht sehen!« beschloß ich plötzlich. Ich setzte mich weiter auf und schreckte zurück, als ich mich umsah. Dies war ein unkultivierter Garten, dies war mein Wilder Garten, voller dorniger Ranken und mächtiger Bäume, mit wucherndem Gras und Orchideen, die an den moosigen Knorren der Äste hingen, und Vögel strichen hoch oben durch das Blätterdach. »Ich will die Hölle nicht sehen!« heulte ich. »Ich will nicht, ich will nicht!…«
    Memnoch antwortete nicht. Er schien in Nachdenken versunken. Schließlich fragte er: »Willst du das Warum wissen oder nicht? Ich war mir so sicher, daß gerade du - vor allen anderen Geschöpfen -es würdest wissen wollen. Ich hatte gedacht, du würdest auch das kleinste Bißchen Erkenntnis wollen!«
    »Das will ich auch!«

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