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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Ehrfurcht überwältigt! Aus dem gleichen Grund feiert auch fast jede der frühen Religionen die Majestät und Großartigkeit und das Genie des Schöpfers, ja, selbst die Hymnen der Frühzeit besingen die Herrlichkeit Gottes. Wir waren beeindruckt, genau wie später die Menschheit beeindruckt sein würde, und ehe noch der Mensch erschaffen wurde, sagte uns unser Engelsverstand, daß Gott allmächtig und wunderbar und jenseits unserer Fassungskraft war.
    Aber gerade jetzt, da wir durch diesen herrlichen Garten schreiten, laß mich dir sagen, daß wir Augenzeugen unzähliger Explosionen und chemischer Umwandlungen waren, daß wir einen Aufruhr von durchweg anorganischen Molekülen sahen, ehe noch ›Leben‹, wie wir es kennen, entstand.«
    »Die Gebirgszüge bildeten sich.«
    »Ja.«
    »Und es fiel Regen?«
    »Sturzbäche, Ströme von Regen.«
    »Vulkane brachen aus.«
    »Laufend. Du hast keine Vorstellung davon, wie hingerissen wir waren. Wir beobachteten, wie die Atmosphäre entstand, sich verdichtete und ihre Zusammensetzung sich änderte.
    Und dann, dann folgte, was ich für dich die Dreizehn Offenbarungen der Physischen Evolution nennen will. Und mit Offenbarung meine ich das, was während dieses Prozesses uns Engeln offenbart wurde, also denen, die das beobachteten.
    Ich könnte dir das alles wesentlich detaillierter erklären, dich in die Zusammensetzung eines jeden grundlegenden Organismus, der je auf Erden existiert hat, einweihen. Aber du würdest es vergessen. Alles, was dein Gedächtnis aufzunehmen vermag, werde ich dir erzählen, damit du jetzt, solange du noch lebst, deine Entscheidung treffen kannst.«
    »Ich lebe noch?«
    »Natürlich. Deine Seele hat nie den physischen Tod erfahren; sie hat nie die Erde verlassen, außer mit mir - und einem speziellen göttlichen Dispens für diese Reise. Du weißt doch, daß du lebst. Du bist Lestat de Lioncourt, trotz der Mutation deines Körpers, in den ein fremder, alchimistischer Geist eindrang, dessen elende Geschichte du eigenhändig niedergeschrieben hast.«
    »Wenn ich mich entschließe, mit dir zu kommen… dir zu folgen… dann muß ich also sterben, nicht wahr?«
    »Natürlich«, antwortete er.
    Ich stand bewegungslos; die Hände an die Schläfen gepreßt, starrte ich auf das Gras zu meinen Füßen. Ich erahnte die Schwärme gleißender Insekten im Sonnenlicht. Und ich sah seinen Glanz und das Grün des Waldes sich in Memnochs Augen spiegeln.
    Sehr langsam hob er die Hand, so als wolle er mir die Möglichkeit lassen, vor ihm zurückzuweichen, und dann legte er mir seine Hand auf die Schulter. Ich liebe diese Geste, sie zeugt von Achtung. Häufig genug versuche ich mich selbst an derartigen Gebärden.
    »Du hast die Wahl, hast du das vergessen? Du kannst zurückkehren und genau das sein, was du warst.«
    Ich konnte nicht antworten. Doch ich war mir meiner Gedanken genau bewußt. »Unsterblich, körperlich, erdgebunden, ein Vampir«. Aber ich sprach die Worte nicht aus. Gab es von hier eine Rückkehr? Und wieder sah ich Sein Gesicht und hörte Seine Worte. »Du würdest doch nie mein Gegner sein wollen, nicht wahr?«
    »Du reagierst sehr gut auf meine Erzählung«, sagte Memnoch herzlich. »Das dachte ich mir schon.«
    »Warum?« fragte ich. »Sag’s mir bitte. Mein Ich braucht eine kleine Bestätigung. Mein vorheriges Geheule und Gestammel hat mich doch zu sehr niedergeschmettert; dabei muß ich zugeben, daß ich im Moment nicht allzu interessiert daran bin, über mich selbst zu sprechen.«
    »Was du bist, ist ein Teil von dem, was wir gerade tun.«
    Wir standen vor einem enorm großen Spinnennetz, das mit dichten schimmernden Fäden quer über unseren breiten Pfad gespannt war. Anstatt es zu zerstören, bückte er sich respektvoll und ging gebeugt darunter hindurch, wobei er seine Flügel eng um sich herum faltete, und ich folgte seinem Beispiel.
    »Du bist neugierig, das ist eine deiner Tugenden«, führ er fort. »Du verlangst nach Wissen. Genau das sagte schon dein alter Marius, daß er, der Jahrtausende überdauert hatte, na ja, beinahe wenigstens… daß er dir, diesem jungen, neugeborenen Vampir, Rede und Antwort stehen wollte, weil deine Fragen ehrlich gemeint waren. Du wolltest wirklich wissen. Und genau diese Eigenschaft hat auch mich zu dir hingezogen.
    In all deiner Überheblichkeit suchtest du doch die Wahrheit, wolltest das Wissen! Fortwährend warst du ungeheuer unverschämt, mir und auch Gott gegenüber, aber andererseits, wer ist das in

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