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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hast im Himmel nur einen Vorgeschmack davon bekommen, in einem Himmel voller menschlicher Seelen. Damals bestanden die Himmlischen Chöre nur aus uns Engeln, und jeder neuen Entwicklung folgten die passenden Verse und Lobgesänge. Das war ein völlig anderer Klang. Nicht schöner, aber eben anders.
    Inzwischen waren wir Engel eifrig dabei, in die Erdatmosphäre hinabzusteigen und uns in die Betrachtung all der verschiedensten Einzelheiten zu vertiefen. Die Winzigkeit des Lebens dort verlangte einen Blickwinkel, der im himmlischen Reich nicht erforderlich war.«
    »Du meinst, daß dort alles ausgedehnt und von großer Klarheit war.«
    »Die Liebe Gottes schien klar und hell, und keinerlei Zweifel konnten sie trüben oder schmalem.«
    Wir erreichten einen schmalen, wilden Wasserfall, der sich schäumend in ein Becken ergoß. Ich blieb einen Moment stehen, der Sprühnebel des Wassers auf Gesicht und Händen erfrischte mich. Auch Memnoch schien das zu genießen. Erst jetzt bemerkte ich, daß er barfuß war. Er schob einen Fuß in das Wasser und beobachtete, wie es um seine Zehen wirbelte. Seine Zehennägel waren elfenbeinfarben und perfekt geformt.
    Als er in das sprudelnde, perlende Wasser schaute, wurden seine Flügel sichtbar, wölbten sich wie Spitzbögen über ihm, und ich konnte glitzernde Feuchtigkeit auf den Federn sehen. Dann spürte ich eine Erschütterung; die Flügel schienen sich zu schließen wie bei einem Vogel und sich hinter seinem Rücken zu falten. Damit entzogen sie sich wieder meinem Blick.
    »Nun stell dir vor«, sagte er, »wie ganze Legionen von Engeln, Unmengen aller Rangstufen - und es gibt Rangstufen - auf die Erde herabkommen und sich in etwas so Schlichtes verlieben wie das schäumende Wasser, so wie wir es hier vor uns sehen, oder in die sich ändernde Farbe des Sonnenlichts, wenn es die Erdatmosphäre durchbricht.«
    »War das interessanter als der Himmel?«
    »Ja. Das muß man einfach zugeben. Natürlich, wenn man zurückkehrt, findet man den Himmel vollkommen zufriedenstellend, besonders wenn Gott erfreut ist; aber die Sehnsucht überkommt einen abermals und die angeborene Neugier. In unseren Köpfen schienen sich Gedanken zu sammeln, es wurde uns bewußt, daß dies an der Art unseres Verstandes lag. Doch laß mich nun zu den Dreizehn Offenbarungen kommen.
    Die Erste Offenbarung war die Umwandlung anorganischer Moleküle in organische… sozusagen vom Gestein zum winzigen lebendigen Molekül. Vergiß diesen Wald. Er existierte damals natürlich noch nicht. Aber betrachte dieses Wasserbecken, diesen Tümpel. In solchen Teichen, inmitten der Berge gelegen, warm, immer in Bewegung und voller Gase aus dem Hochofen der Erde selbst, begann es - das erste organische Molekül zeigte sich.
    Ein Tumult stieg gen Himmel. ›Herr, sieh, was aus der Materie entstanden ist.‹ Und der Allmächtige zeigte uns Sein gewohntes strahlendes Lächeln der Zustimmung. ›Wartet ab und schaut‹, sagte Er wieder, und wir schauten und sahen die Zweite Offenbarung:
    Moleküle begannen sich zu organisieren, und zwar in drei unterschiedliche Stoffe - Zellen, Enzyme und Gene. Und tatsächlich, kaum hatten sich einzellige Formen gebildet, da erschienen auch schon die mehrzelligen, und was wir bei den ersten organischen Molekülen so göttlich gefunden hatten, war nun endgültig sichtbar; irgendein Lebensfunke belebte sie. Uns kam es vor, als könnten wir diesen Lebensfunken sehen, als könnten wir darin einen winzigkleinen Beweis für die Ursubstanz des Lebens erkennen, die wir selbst in solchem Überfluß besaßen!
    Kurz gesagt: Die Welt war mit einer bis dahin uns unbekannten Unruhe erfüllt; und während wir diese kleinen vielzelligen Wesen beobachteten, wie sie durch das Wasser trieben, schlössen sie sich zu primitivsten Arten von Algen oder Pilzen zusammen. Wir sahen, wie diese grünen lebenden Dinger selbst das Land in Besitz nahmen! Dieser Schleim, der seit Jahrmillionen an den Ufern geklebt hatte, kroch aus dem Wasser. Und aus diesem kriechenden Grün entstanden Farne, und die Koniferen, die du nun um uns herum siehst, wuchsen heran, bis sie schließlich diese mächtige Größe erreichten.
    Wir, die Engel, hatten nun etwas, an dem wir unsere Größe messen konnten, und spazierten unter diesen Dingen auf der grünenden Erde einher. Stell dir die Lobgesänge vor, die zum Himmel schallten, die Chöre, Reden und Gebete der Engel und die Freude Gottes!
    Die Engel besuchten bald jedes Fleckchen der Erde und

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