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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Natur vorher nicht gegeben hatte, außer beim Regenbogen! Farben, die wir vom Himmel her kannten und von denen wir gedacht hatten, sie seien nur dem Himmel vorbehalten - aber nun sahen wir, daß es anders war und sie sich in diesem großen Laboratorium, das wir Erde nannten, ganz natürlich entwickeln konnten.
    Hier muß ich einfügen, daß sich auch bei Fischen und anderen Organismen im Wasser extrem auffallende Farben entwickelten. Aber die Blumen insbesondere fand ich auserlesen schön, und als sich herausstellte, daß es eine unermeßliche Zahl von Arten geben würde, daß ihre Blütenblätter in unendlich vielfältigen Mustern angeordnet waren, da schallten unsere Lobgesänge so laut gen Himmel, daß alle vorherigen gering und ohne Gemütstiefe schienen.
    Allerdings hatten diese Hymnen schon einen Hauch von etwas Dunklem - ich wage es kaum zu sagen -, von einer Zögerlichkeit, einem Schatten, der in uns entstanden war durch die Offenbarung von Tod und Verfall. Und nun, als wir die Blüten sahen, verstärkte sich dieses dunkle Element in all unseren von Dank und Staunen erfüllten Liedern und Ausrufen, denn wenn die Blumen starben, wenn ihre Blütenblätter abfielen und zu Boden sanken, schien der Verlust nur um so größer und schrecklicher.
    Überall wuchsen nun große Pflanzen und Bäume im Überfluß heran, aus denen, wie aus den Blumen, der Lebensfunke machtvoll strahlte; und somit bekamen die Gesänge einen ernsteren Klang.
    Doch die Erde zog uns stärker denn je in ihren Bann. Ich möchte sogar sagen, daß sich der Charakter des Himmels zu diesem Zeitpunkt völlig verändert hatte. Alle, Gott und die Engel aller Rangsturen, alle waren auf die Erde fixiert. Es war uns unmöglich, hier im Himmel Gott einfach nur die alten Hymnen darzubieten. Die Hymnen sollten nun von der Materie, von Wandlung, von Schönheit handeln. Und gerade die Engel, die die kompliziertesten Gesänge erzeugten, woben natürlich in ihre Intonationen Ausdruckselemente von Tod, Verfall und Schönheit, und das wesentlich überzeugender, als ich es in meinen Liedern konnte.
    Ich war beunruhigt. Mein Geist war rastlos, glaube ich, und eine Art Unersättlichkeit hatte sich eingestellt…«
    »Diese Worte - als du mich anfangs verfolgt hast, da habe ich das zu David gesagt, als ich von dir erzählte«, unterbrach ich.
    »Sie stammen aus einem alten Lied über mich, in Hebräisch, man findet es kaum noch irgendwo übersetzt. Die Sibylle sprach diese Worte in einem Orakel, in dem sie die Wächter beschrieb… uns, die Engel, die Gott als Beobachter gesandt hatte. Sie hatte recht. Weil ich die Verse mochte, habe ich sie mir gemerkt. Ich nahm sie in meine Definition von mir selbst auf. Warum andere Engel eher zufriedenzustellen sind als ich, weiß Gott allein.«
    Memnochs ganze Haltung strahlte noch tieferen Ernst aus. Ich fragte mich, ob diese von ihm beschriebene dunkle Note auch der himmlischen Musik innewohnte, die ich vernommen hatte, oder ob die pure Freude wieder im Himmel eingekehrt war.
    »Nein, man hört jetzt die Musik der menschlichen Seelen, die im Himmel sind, zusammen mit der der Engel. Das klingt völlig anders. Aber laß mich schnell mit diesen Offenbarungen fertig werden, denn ich weiß, daß sie nicht anders zu begreifen sind denn als Ganzes.
    Die Fünfte Offenbarung war die Entstehung von Gehirn. Die Tiere im Wasser hatten sich vor längerer Zeit schon sehr stark von den Pflanzen differenziert, und nun begannen diese gelatinösen Kreaturen Nervensysteme zu entwickeln und Skelette, und mit dieser Umformung einhergehend entstanden Gehirne. Die Kreaturen bekamen Köpfe!
    Und nicht eine göttliche Sekunde lang entging es unserer Aufmerksamkeit, daß wir, die Engel, Köpfe hatten! Die Denkprozesse der solcherart entstandenen Organismen konzentrierten sich in ihren Köpfen. Und so war es eindeutig auch bei uns! Das brauchte uns niemand zu sagen. Mit unserer Engelsintelligenz erfaßten wir sehr wohl, wie wir zusammengesetzt waren. Die Augen, das war ein Hinweis. Wir hatten Augen, und diese Augen waren Teil unseres Gehirns. Dieses Sinnesorgan steuerte uns, sei es in unseren Bewegungen, unseren Reaktionen oder in unserem Wissensdurst, mehr als jedes andere.
    Wieder geriet der Himmel in Aufruhr. ›Herr‹, fragte ich, ›was geschieht da? Diese Kreaturen entwickeln eine Form… Glieder… Köpfe.‹ Und erneut setzten die Lobpreisungen ein, die diesmal jedoch sowohl von Verwirrung als auch von Ekstase begleitet waren und von Furcht vor

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