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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dafür, daß Er uns wenigstens dies gab.‹
    ›Ja‹, sagte wieder eine andere, ›daß Er uns überhaupt etwas ließ. Wir empfinden Dankbarkeit und tiefe Liebe für Ihn. Denn sicherlich ist dort draußen in der Dunkelheit ein unendliches Nichts, und dort unten auf der Erde haben wir so viele gesehen, die von Leere und Elend gequält waren und nie unsere Freuden gekannt haben.‹
    ›Das ist nicht einfach‹, betonte die nächste Seele. ›Es war ein schwerer Kampf. Aber es war gut, zu lieben und zu trinken, wunderbar war es, zu tanzen und zu singen, und welches Vergnügen war es, trunken durch den Regen zu laufen! Und jenseits all dessen liegen Chaos und Leere, und ich bin dankbar, daß ich mit geöffneten Augen durch die Welt ging und daß ich mich ihrer hier oben erinnern und sie von hier sehen kann.‹
    Lange dachte ich darüber nach, ohne ihnen zu antworten, während sie laufend auf mich einredeten, magisch von mir angezogen, als locke sie das Licht in mir, wenn denn da überhaupt sichtbares Licht war. Und tatsächlich, je mehr ich auf sie einging, desto mitteilsamer wurden sie, und ihre eigenen Antworten schienen ihnen bedeutungsvoller, je intensiver sie sich auf Erklärungen einließen.
    Ich fand heraus, daß diese Leute ganz verschiedenen Nationalitäten angehört hatten und daß ihre Lebenswege sehr unterschiedlich verlaufen waren, und obwohl viele eng miteinander verwandt waren, galt das doch nicht für alle. Viele hatten ihre Verwandten schon in anderen Bereichen Scheols aus den Augen verloren oder waren ihnen erst gar nicht begegnet, wohingegen andere schon im Augenblick ihres Todes von ihren Lieben willkommen geheißen worden waren! Und Menschen aus der ganzen Welt mit all ihren verschiedenen Glaubensrichtungen fanden sich hier an diesem Ort ein, an dem sich allmählich ein Licht auftat.
    ›Was euer Leben auf der Erde betrifft, gab es da Gemeinsamkeiten?‹ fragte ich schließlich. Dazu konnten sie nichts sagen, sie wußten es nicht. Sie hatten sich nie gegenseitig über ihr Leben befragt, und als ich ihnen eilig und auf gut Glück Fragen stellte, fand ich keine Gemeinsamkeiten! Es gab sehr reiche und sehr arme unter ihnen, einige hatten unaussprechlich viel gelitten, während andere in goldenem Wohlstand und Müßiggang gelebt und, noch ehe sie starben, gelernt hatten, die Schöpfung zu lieben. Doch mir schien, daß ich vielleicht die Antworten sammeln und sie in irgendeiner Form auswerten könnte. Denn eins war klar, all diese Seelen hatten gelernt, Gott zu vergeben, auf die eine oder andere Art. Aber es war durchaus möglich, daß sich die eine Art besser für meine Zwecke eignete, mehr bewirkte als eine andere. Vielleicht. Ich war mir nicht sicher. Und zur Zeit konnte ich es noch nicht erkennen.
    Ich legte meine Arme um diese Seelen und zog sie zu mir heran. ›Ich möchte, daß ihr euch mit mir auf eine Reise begebt‹, sagte ich zu ihnen; inzwischen hatte ich mit wirklich jedem dieser Wesen gesprochen und war mir nun sicher, woran ich war. ›Ich möchte, daß ihr mit in den Himmel kommt und vor Gott tretet. Es ist vielleicht nur für kurze Zeit, und ihr seht Ihn vielleicht nur eine Sekunde lang, möglicherweise wird Er es nicht einmal zulassen, daß ihr Ihn überhaupt erblickt. Ihr findet euch unter Umständen hier wieder und habt, wenn auch nicht gelitten, so doch auch nicht viel dazugelernt. Die Wahrheit ist: Ich kann nicht garantieren, was geschieht! Niemand kennt Gott.‹
    ›Das wissen wir, antworteten sie.
    ›Doch ich ersuche euch, vor Gott hinzutreten und Ihm zu sagen, was ihr mir gesagt habt. Und nun endlich will ich euch Antwort auf eure Fragen geben: Ich bin Memnoch, Sein Erzengel, ein ebensolcher Engel wie die, von denen ihr während eures irdischen Lebens gehört habt! Werdet ihr nun mitkommen?‹
    Einige waren erstaunt und zögerten. Doch die Mehrzahl willigte übereinstimmend mit ungefähr folgenden Worten ein: ›Wir wollen mitgehen. Nur einen Blick auf Gott zu werfen, nur die Chance dazu zu haben bedeutet uns mehr als alles andere. Lieber wollen wir uns nicht mehr an den süßen Duft der Olivenbäume erinnern, an das Gefühl des jungen Grases unter den Füßen oder an den Geschmack des Weines oder an die Leidenschaft, die wir unseren Geliebten entgegenbrachten. Wir kommen mit.‹
    Doch ein paar weigerten sich. Wir anderen bemerkten nicht sofort, daß sie sich völlig zurückgezogen hatten. Sie erkannten mich nun als das, was ich wirklich war, einen Engel, und somit wurde ihnen

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