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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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anfassen, untersuchen, ihre Ausstrahlung spüren. Du mußt ihr bewußt machen, welche Macht in diesen Statuen und Bildern verborgen liegt, daß sie ein Ausdruck der menschlichen Suche nach Wahrheit sind, der Suche nach der Wahrheit, von der sie selbst so besessen ist. Ihr ist das nämlich immer noch nicht klar.«
    »Aber ich denke, sie hatte nie den Hang zu Stuck und Statuen?«
    »Dann ändere das.«
    »Ich? Wie denn? Ich kann das alles irgendwo sicher aufbewahren, ja, aber wie sollte ich Dora dazu bringen, ein Kunstwerk zu lieben?
    Wie kannst du das überhaupt vorschlagen? Ich meine, daß ich mich deiner kostbaren Tochter nahem soll?«
    »Du wirst meine Tochter lieben«, murmelte er kaum hörbar.
    »Wie bitte?«
    »Finde etwas Passendes für sie in meiner Sammlung, etwas, das Wunder wirkt.«
    »Das Turiner Grabtuch?«
    »Oh, das mag ich so an dir, wirklich! Ja, such ihr irgend etwas heraus, mit dem sie ein Zeichen setzen kann, etwas, das auch sie verändert, ein Stück, das ich, ihr Vater, erworben und geliebt habe, etwas, das ihr nützt.«
    »Weißt du, du bist tot genauso irre, wie du als Lebender warst. Du planst und intrigierst immer noch und versuchst, dir durch eben Marmorklotz oder einen Pergamentstapel den Weg zur Erlösung zu erkaufen. Oder glaubst du wirklich an die Heiligkeit deiner Kunstwerke?«
    »Natürlich glaube ich daran. Es ist das einzige, woran ich glaube. Das ist doch der springende Punkt, nicht wahr? Es ist auch das einzige, woran du glaubst… an Glanz und Gold.«
    »Na, das raubt mir den Atem!«
    »Genau darum hast du mich doch in der Wohnung ermordet, inmitten all meiner Kostbarkeiten. Aber lassen wir das, wir müssen uns beeilen. Keine Ahnung, wieviel Zeit mir noch bleibt.
    Zurück zu den technischen Einzelheiten. Also, was Dora betrifft, könntest du ihren Ehrgeiz als deine Trumpfkarte bezeichnen. Das Kloster hat sie erworben, um ihre weiblichen Missionare dort auszubilden für ihren Orden, der die Kraft der Liebe lehren soll. Er würde natürlich genauso von einem einzigartigen Feuer beseelt sein wie andere missionierende Gruppen auch. Sie beabsichtigt, ihre Anhängerinnen in die unterprivilegierten Stadtteile, die Ghettos, die Arbeiter- und Armenviertel zu schicken. Dort sollen sie zu den Leuten sprechen und ihnen sagen, daß diese neue Bewegung unbedingt aus dem Herzen des Volkes hervorgehen und sich so weit ausbreiten müsse, daß sie letztendlich auch die Machthaber in den Regierungen erreiche, so daß aller Ungerechtigkeit ein Ende gesetzt werde.«
    »Was würde diese Bewegung denn von anderen Orden unterscheiden, wie zum Beispiel den Franziskanern oder sonst irgendwelchen Predigern?«
    »Nun, zum Beispiel, daß sie Frauen sind und noch dazu predigende Frauen. Nonnen waren Pflegerinnen, Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen, Dienende oder eingeschlossen hinter Klostermauern, wo sie zu Gott schrien wie eine Herde trübsinniger Schafe. Ihre Frauen sollen Gelehrte der Kirche sein, Predigerinnen! Sie sollen mit ihrer Inbrunst die Massen aufrütteln, sollen sich an die Frauen wenden, an die verarmten, entmachteten Frauen, und ihnen helfen, die Welt zu verändern.«
    »Eine feministische Vision, verknüpft mit Religion?«
    »Sie hätte genausoviel Aussicht auf Erfolg wie andere Bewegungen. Weiß man, warum im 13. Jahrhundert der eine Mönch für wahnsinnig gehalten wurde und der andere für heilig? Dora hat die Fähigkeit, die Menschen zum Nachdenken zu bringen. Ach, ich weiß nicht! Du mußt dir da was einfallen lassen, unbedingt!«
    »Und bis es soweit ist, wenigstens den Kirchenschatz verwahren«, antwortete ich.
    »Ja, bis sie nachgibt oder bis sie sich entschließt, ihn für einen guten Zweck zu verwenden. So kriegst du sie! Rede über das Gute.«
    »So kriegst du jeden«, flüsterte ich traurig. »So kriegst du sogar mich!«
    »Also du machst es, ja? Für Dora bin ich ein irregeleitetes Schaf. Sie sagte: ›Nach all dem, was du getan hast, bilde dir nicht ein, du könntest deine Seele retten, indem du mir deine sakralen Kunstwerke überläßt.‹«
    »Aber sie liebt dich«, versicherte ich ihm. »Das konnte ich bei all euren Treffen wahrnehmen.«
    »Ich weiß; diese Bestätigung brauche ich nicht. Die Zeit reicht auch nicht mehr für solche Diskussionen. Bedenke nur eins: Doras Vision ist überwältigend. Jetzt ist sie nur ein kleiner Fisch, obwohl sie die Welt verändern möchte. Mir ist klar, der Kult, wie er mir vor Augen stand, befriedigt sie nicht - sich als Guru mit einer Schar

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