Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
zu fallen. Ich klammerte mich an Roger und an die Theke.
    »Roger!« schrie ich so laut, daß es sicher in der ganzen Bar zu hören war. Er sah mich an, sein Gesicht so friedvoll, daß es beinahe unbelebt wirkte, und doch schien er verwirrt, höchst verwundert…
    Dann sah ich die Flügel aufragen über uns beiden, sah dieses alles verschlingende Dunkel emporquellen wie aus den Schrunden eines Vulkans und dahinter das Licht aufsteigen. Blendendes, wundervolles Licht.
    Ich weiß, ich schrie: »Roger!«
    Der Lärm war ohrenbetäubend, die Stimmen, die Gesänge, die Gestalt, alles wuchs ins Unermeßliche.
    »Nimm ihn nicht mit dir. Ich bin der Schuldige!« Wutentbrannt warf ich mich dem Wesen entgegen, bereit, es in der Luft zu zerreißen, wenn es nicht von ihm abließe! Doch ich konnte ihn nur noch undeutlich sehen. Ich wußte auch nicht mehr, wo ich war. Und un-durchdringbar dicht, machtvoll und unaufhaltsam wallte es wieder auf, wie Rauch, in dessen Mitte für einen Augenblick ein Antlitz sichtbar wurde, das drohend gegen den langsam verblassenden Roger und gegen mich gerichtet war - das Antlitz der steinernen Statue, die Augen
    »Laß ihn los!«
    Nichts war mehr vorhanden, die Bar, das Village, die Welt umher, alles war eins. Und vielleicht waren die Gesänge nur der Klang splitternden Glases. Dann Schwärze und Schweigen.
    Stille.
    Mir schien, als sei ich eine Weile bewußtlos gewesen. Draußen auf der Straße kam ich zu mir. Neben mir stand der Barkeeper und fragte mich ziemlich genervt in seinem näselnden Tonfall: »Alles in Ordnung, Mann?«
    Auf seinen Schultern lag Schnee. Er fror und war drinnen sicher besser aufgehoben, also nickte ich und stand auf. Mein Halstuch saß noch, wie es sich gehörte, meine Jacke war ordentlich zugeknöpft, jedoch voller Schnee. Meine Hände waren sauber. Rings um mich fiel weicher, flockiger Schnee, wunderbar anzusehen.
    Ich stieß die Schwingtüren auf und betrat erneut den gefliesten Eingang zur Bar. Von der Tür aus konnte ich die Stelle sehen, an der wir gesessen und uns unterhalten hatten. Rogers Glas stand noch da. Nichts hatte sich verändert. Dem Barkeeper, der jetzt gelangweilt mit einem Gast sprach, war wohl nichts aufgefallen, außer daß ich plötzlich aufgesprungen und hinaus auf die Straße gestolpert war.
    Jeder Nerv in mir sagte: »Flieh!« Aber wohin? Aufsteigen in die Luft? Keine Chance, es hätte mich auf der Stelle. Besser die Füße fest auf dem Boden lassen.
    Du hast Roger geholt! Bist du mir deshalb die ganze Zeit gefolgt? Wer bist du?
    Über den leeren, staubflimmernden Raum hinweg sah mich der Barkeeper an. Hatte ich etwas gesagt, getan? Nein, ich heulte nur erbärmlich. Ein Mann mit tränenüberströmtem Gesicht im Eingang einer Bar, idiotisch. Und in diesem speziellen Fall bedeutete das noch dazu blutige Tränen. Hier war ein schneller Abgang angesagt!
    Ich drehte mich um und ging wieder hinaus in den Schnee. War es nicht endlich Morgen? Wer zwang mich, bis zur Morgendämmerung durch diese elende, schneidende Kälte zu trotten? Warum suchte ich mir nicht ein Grab und legte mich schlafen?
    »Roger!« weinte ich laut heraus und wischte mir die Tränen am Ärmel ab. »Wer bist du, verdammt noch mal!« Mitten auf der Straße stand ich und schrie so laut, daß meine Stimme von den Häuserwänden widerhallte. »Sei verdammt!« Blitzartig war mir wieder alles gegenwärtig. Ich hörte das Durcheinander der Stimmen, kämpfte dagegen an. Das Gesicht. Es hat ein Gesicht! Ein ruheloser Geist und ein unersättliches Herz. Nur kein Schwindelanfall jetzt, verdräng die Erinnerung. Über mir öffnete sich ein Fenster, und jemand schrie, ich solle verschwinden. »Schluß mit dem Gebrüll da unten!« Und auch Schluß mit den Rekonstruktionen, sonst wirst du wieder bewußtlos.
    Zu allem Überfluß fiel mir jetzt auch noch Dora ein, und nun hatte ich erst recht das Gefühl, ich müsse auf der Stelle zitternd und hilflos zusammenbrechen, und wahrscheinlich würde ich dann jeder hilfreichen Seele absoluten Blödsinn entgegenquasseln. Das war nun wirklich schlimm, das Schlimmste überhaupt, das war ein Desaster von kosmischen Ausmaßen! Und was, in Gottes Namen, hatte Rogers Gesichtsausdruck bedeutet in seinem letzten Moment? Hatte er überhaupt eine Bedeutung? Etwa Friede, Ruhe, Verstehen? Oder war Roger nur ein Geist, dem seine Lebenskraft abhanden kam? Ein Geist, der seinen Geist aufgab!
    Ah, ich hatte wieder geschrien. Das machten mir ein Dutzend Sterbliche klar, die

Weitere Kostenlose Bücher