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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hingebungsvoller Anhänger in eine Art Klausur zurückzuziehen. Sie will wirkliche Veränderungen, sie meint, jemand muß jetzt endlich etwas tun.«
    »Aber denkt denn nicht jeder religiös empfindende Mensch so?«
    »Nein, es träumt kaum jemand davon, ein Mohammed oder Zarathustra zu sein.«
    »Und du glaubst, daß Dora das will?«
    »Dora hält es für notwendig.« Er schüttelte den Kopf, nahm noch einen kleinen Schluck von seinem Drink, während er den Blick ziellos über den halbleeren Raum schweifen ließ. Nachdenklich runzelte er die Stirn.
    »Sie sagte: ›Dad, Religion entsteht nicht aus heiligen Reliquien und Schriften, diese Dinge sind nur die Form, in der Religion ihren Ausdruck findet!‹ Und so weiter und so fort. Und nach all ihren Studien war sie zu der Überzeugung gelangt, daß nur eines zählte: das Wunder in der eigenen Seele. Sie narkotisierte mich damit. Mach jetzt keine gemeinen Witze!«
    »Wie käme ich dazu.«
    »Was wird bloß aus meiner Tochter?« flüsterte er verzweifelt. Er sah mich nicht an. »Hier, in ihrem Vater, siehst du ihr Erbe. Ich bin leidenschaftlich bis zum Äußersten, bin grausam und verrückt. In unzähligen Kirchen bin ich mit Dora gewesen, habe ihr die kostbarsten Kruzifixe gezeigt - ehe ich sie um des Profits willen verschacherte. Wie viele Stunden lang bestaunten wir die Deckengemälde in den Barockkirchen Deutschlands!
    Splitter vom Kreuz Christi, prachtvoll mit Silber und Rubinen verziert, habe ich ihr geschenkt. Mehrmals erwarb ich ein Schweißtuch der Veronika - immer wieder ein großartiges, atemberaubendes Kunstwerk. Mein Gott!«
    »Sag, ist dir jemals der Begriff der Sühne in den Sinn gekommen - auf Dora bezogen, meine ich. So etwas wie Schuld?«
    »Du meinst, weil sie Terry ohne weitere Fragen aus ihrem Leben ausgeklammert hat? Ich habe das auch überlegt. Aber wenn, dann hat Dora das schon vor langer Zeit überwunden. Dora glaubt, daß unsere Welt eine Offenbarung braucht. Einen neuen Propheten. Aber man wird nicht aus heiterem Himmel zum Propheten. Sie sagt, durch das eigene Sehen, Erkennen und Fühlen wird ihre Wandlung vollzogen werden; aber sie meint nicht diese Revival-Tent-Erfahrungen.«
    »Mystiker weisen das immer von sich.«
    »Das ist nur natürlich.«
    »Ist Dora eine Mystikerin? Würdest du das so sehen?«
    »Warum weißt du das nicht? Du hast sie verfolgt und beobachtet. Nein, Dora hat nie behauptet, das Antlitz Gottes gesehen oder seine Stimme gehört zu haben, wenn du das damit meinst. Aber sie erwartet so etwas. Sie wartet auf den Augenblick der Offenbarung, auf das Wunder!«
    »Auf den Engel, der kommen muß!«
    »Genau das.«
    Auf einmal verstummten wir beide. Vielleicht dachte er genau wie ich an seinen früheren Vorschlag, daß ich ein Wunder vortäuschen sollte, ich, der dunkle Engel, der einst eine Nonne in den Wahnsinn getrieben hatte, so daß ihre Hände und Füße bluteten, Stigmata gleich.
    Als er sich aufraffte und fortfuhr, war ich erleichtert.
    »Wenn ich wirklich je im Sinn gehabt haben sollte, die Welt zu verändern, so habe ich diesen Gedanken in dem Moment aufgegeben, als ich mein Leben mit all diesen weltlichen Reichtümern ausstattete. Ich habe mir meine eigene Welt geschaffen. Aber sie hat ihre Seele weit und klar geöffnet, geöffnet für… ich weiß nicht, was. Meine Seele ist tot.«
    »Augenscheinlich nicht«, widersprach ich. Der Gedanke, daß er früher oder später verschwinden könnte - und müßte -, war mir unerträglich und löste heftigeres Erschrecken in mir aus, als es anfangs seine Erscheinung getan hatte.
    »Jetzt noch einmal zum Grundsätzlichen. Ich werde langsam unruhig…«, sagte er.
    »Wieso?«
    »Mach mich nicht nervös jetzt, hör einfach zu. Ich habe Geld auf die Seite gebracht für Dora, clever genug, so daß man keine Verbindung zu mir herstellen kann. Es ist für die Behörden unerreichbar, außerdem bin ich nie angeklagt, geschweige denn verurteilt worden, dafür hast du ja gesorgt. Du findest die Unterlagen - eine schwarze Ledermappe - in der Wohnung in einem Karteikasten. Quittungen über den Kauf von Bildern und Statuen sind auch dabei. Bitte sorge dafür, daß das alles für Dora aufbewahrt wird. Mein Lebenswerk, mein Erbe! Ich lege es in deine Hände, für sie. Du schaffst das, ja? Du mußt dich ja nicht beeilen, immerhin hast du mich recht geschickt beiseite geschafft.«
    »Ja, ich weiß. Und jetzt bittest du mich also, Doras Schutzengel zu sein und dafür zu sorgen, daß sie diese

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