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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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bin ich wohl ihr größter Feind, tot oder lebendig. Und was ihre Gemeinde betrifft, na, da bewegt sie sich auf dünnem Eis; puritanisch ist sie nicht, meine Tochter. Sie hält zwar Wynken für einen Häretiker, aber ihr ist nicht bewußt, wie sehr ihr eigenes neuzeitliches Mitleid mit dem Fleisch dem ähnelt, was Wynken predigte.«
    »Ja, das leuchtet mir ein. Aber was ist mit Wynken, soll ich den auch in Sicherheit bringen? Was mache ich mit Wynken?«
    Er ignorierte meine Frage und fuhr fort: »Sie ist auf ihre Art ein Genie, das meinte ich, als ich sie eine Theologin nannte. Sie hat das fast Unmögliche geschafft, sie hat Griechisch, Latein und Hebräisch gelernt, obwohl sie nicht zweisprachig aufgewachsen ist. Weißt du, wie schwer das ist?«
    »Ja, obwohl es uns nicht so schwer fällt, aber…« Ich brach ab. Etwas absolut Entsetzliches war mir gerade aufgegangen, ein Gedanke, der all meine Überlegungen zunichte machte.
    Ich konnte Roger nicht mehr unsterblich machen. Er war tot!
    Die ganze Zeit, während wir redeten und er seine Geschichte vor mir ausbreitete, hatte ich im Unterbewußtsein erwogen, daß ich ihn, wenn ich wollte, hinüberbringen könnte zu mir, ihn bei mir behalten, ihn am Fortgehen hindern könnte. Schockartig eröffnete sich mir jetzt die grausame Wahrheit: Roger war ein Geist! Ich sprach mit jemandem, der schon tot war. Diese Situation war so widerwärtig schmerzhaft, so frustrierend und absolut gegen die Norm, daß ich wie vom Donner gerührt dasaß; ich hätte wohl laut gestöhnt, wenn ich mich nicht um seinetwillen gezwungen hätte, meinen Zustand zu verbergen. Er sollte weitererzählen.
    »Was ist mit dir?« fragte er.
    »Nichts. Erzähl mir mehr von Dora. Was sagt sie sonst noch?«
    »Sie spricht oft über die sterile Kälte unserer heutigen Welt und darüber, daß die Menschen nach dem Jenseits verlangen. Sie prangert die ausufernde Kriminalität und die Ziellosigkeit der Jugendlichen an. Sie will eine Religion aufbauen, in der keiner den anderen verletzt. Eigentlich der amerikanische Traum! Die Heilige Schrift kennt sie in- und auswendig samt allen Werken der großen religiösen Führer und Heiligen, und sie ist überzeugt davon, daß die Verteufelung der Sexualität der christlichen Kirche den Niedergang gebracht hat - mit dieser Vorstellung erfüllt sie allerdings nicht den Anspruch auf Originalität. Aber sicherlich spricht sie damit die Frauen besonders an…«
    »Ja, das ist mir klar, aber dann muß sie doch eigentlich ein wenig Sympathie für Wynken haben.«
    »Sie hat Wynkens Büchern nie irgendeine Erleuchtung abgewinnen können so wie ich…«
    »Ah, ja.«
    »Und im übrigen, Wynkens Bücher sind nicht nur perfekt, sondern in vielem auch einzigartig. Fünfundzwanzig Jahre bevor Gutenberg die Buchdruckkunst erfand, hat Wynken sie hergestellt. Dabei hat er alles selbst gemacht, er war Schreiber, Dichter und Miniaturmaler in einem, er selbst malte all diese sich im Paradies erfreuenden Gestalten und das Efeu und die Ranken, die jede Seite überwuchern. Obwohl in den Skriptorien damals diese Funktionen von verschiedenen Mönchen ausgeübt wurden, machte Wynken alles allein. Soviel über Wynken. - Also, du mußt die Bücher holen!«
    »Großartig«, sagte ich düster.
    »Ich gebe dir noch mal einen Überblick, du wirst diese Bücher lieben, auch wenn Dora sie uninteressant findet.
    Ich habe alle zwölf Bücher, wie ich dir schon sagte. Wynken war Rheinländer, ging als junger Mann gezwungenermaßen zu den Benediktinern, und er liebte Blanche, die Gattin seines Bruders.
    Sie hatte dem Skriptorium den Auftrag erteilt, die Bücher anzufertigen, und damit begann alles, so entstand die Verbindung zu ihrem heimlichen Geliebten, dem Mönch. Ich besitze auch einen Briefwechsel zwischen Blanche und ihrer Freundin Eleanor. Und aus den Büchern selbst konnten einige Geschehnisse entschlüsselt werden.
    Besonders traurig sind die Briefe, die Blanche ihrer Freundin schrieb, nachdem Wynken zu Tode gekommen war. Sie mußte die Briefe aus dem Haus schmuggeln, Eleanor gab sie weiter an Diana, und auch eine weitere Frau wird noch erwähnt, doch in deren Händen befanden sich nur Fragmente. All dem konnte man folgendes entnehmen: Die rituellen Treffen fanden gewöhnlich im Garten der De-Wilde-Burg statt, nicht im Klostergarten, wie ich zuerst angenommen hatte. Auf welchen Wegen Wynken dahin kam, weiß ich nicht, aber in den Briefen wird angedeutet, daß er über einen versteckten Pfad aus dem

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