Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel
tun durfte, war, das Kloster zu kaufen. Je eine Million für das Gebäude und dafür, es wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen, so, wie es einst 1880 die Nonnen bewohnt hatten, mit der Kapelle und dem Refektorium, den großen Schlafräumen und den weiten Korridoren… Aber selbst da war sie schon zögerlich. Und was die Kunstwerke betrifft, vergiß es! Vielleicht wird sie ja nicht einmal mein Geld nehmen, um ihre Gemeindemitglieder dort unterrichten zu können, ihren Orden oder wie zur Hölle ein Fernsehprediger das nennt. Dieses Drei-Stunden-Kabelprogramm ist ein Dreck im Vergleich zu dem, was ich für sie daraus hätte machen können, mit dem Kloster als Basis. Und die Sammlung - die Statuen und Ikonen -, stell dir das bloß vor. ›Ich könnte dich so groß rausbringen wie Billy Graham, Schatz‹, sagte ich zu ihr. ›Du kannst dich schon um Jesus willen nicht um mein Geld herumdrücken.‹«
Wieder schüttelte er verzweifelt den Kopf. »Sie trifft sich jetzt nur noch aus purem Mitleid mit mir, aber davon hat meine schöne Tochter ja einen unerschöpflichen Vorrat. Manchmal nimmt sie sogar ein kleines Geschenk an. Aber nicht heute nacht. Einmal, als sie mit ihrem Programm fast am Ende war, hat sie sich gerade so weit von mir unterstützen lassen, daß sie über den Berg kam. Aber meine Heiligen und Engel, die rührt sie nicht an. Und meine Bücher, meine Kostbarkeiten, beachtet sie nicht.
Natürlich wußten wir beide, daß ihr Ruf durch mich in Gefahr war. Du warst da eine große Hilfe, indem du mich beseitigt hast. Aber bald wird mein Verschwinden in den Nachrichten auftauchen. ›Fernsehpredigerin von Kokainkönig finanzierte - kann man das geheimhalten? Dieses Geheimnis muß über meinen Tod hinaus bewahrt bleiben, und sie muß meinen Tod unbeschadet überstehen. Egal, um welchen Preis! Lestat, hörst du das?«
»Ich höre zu, Roger, ich höre jedes Wort. Beruhige dich, niemand ist hinter ihr her, das versichere ich dir.«
»Meine Gegner sind gnadenlos. Und die Regierung, die Behörden… weiß der Teufel, wer das ist oder was die tun.«
»Fürchtet sie den Skandal?«
»Nein, vielleicht bricht ihr das Herz, aber den Skandal fürchten? Nie! Sie nimmt hin, was kommt. Was sie wirklich wollte, war, daß ich alles aufgebe. Das war ihr ewiges Reden. Es war ihr gleich, was über uns beide bekannt würde. Sie wollte, daß ich auf alles verzichte. Sie hatte Angst um mich, wie die Tochter eines Gangsters eben Angst hat oder die Ehefrau.
Immer wieder bat ich sie: ›Erlaube mir wenigstens, dir beim Aufbau deiner Gemeinde zu helfen. Nimm das Geld dafür.‹ Wieviel Courage sie hat, haben ihre Fernsehshows bewiesen. Aber nichts… Alles um sie herum fällt zusammen. Es ist nichts mehr übrig als diese paar Sendungen pro Woche. Sie muß die Leiter zum Himmel allein erklimmen. Ich bin raus aus dem Spiel. Sie verläßt sich darauf, daß ihr Publikum die Millionen herbeischafft, die benötigt werden. Sie zitiert aus den weiblichen Mystikern. Sicher hast du gehört, wie sie aus den Werken der Hildegard von Bingen, Juliana von Norwich und Teresa von Avila vorliest? Hast du die gelesen?«
»Alle«, sagte ich.
»Frauen mit scharfem Verstand und dem Wunsch, daß ihnen ihresgleichen zuhört. Aber langsam zieht sie auch die Aufmerksamkeit anderer auf sich. Du kannst es unmöglich in dieser Welt zu etwas bringen, wenn du dich nur an ein Geschlecht wendest. Sogar ich weiß das, ich, der Wirtschaftsexperte, das Wall-Street-Genie und das bin ich auch, täusche dich da nicht. Sie fesselt jedermann. Ach, wenn ich doch diese beiden letzten Jahre noch einmal leben könnte, ich hätte ihre Bewegung in Gang bringen können, ehe sie herausfand…«
»Kein Bedauern jetzt. Du siehst das vom falschen Standpunkt. Wenn du ihre Kirche ›groß rausgebracht‹ hättest, hättest du dadurch die Enthüllungen und den Skandal nur beschleunigt.«
»Nein, wenn eine Sache erst einmal groß genug ist, kann kein Skandal mehr etwas ausrichten. Da liegt nämlich der Haken. Weil sie so unbedeutend ist, kann ein Skandal sie vernichten!«
Jetzt schüttelte er eher ärgerlich den Kopf. Er war sehr erregt, aber seine Erscheinung wurde dadurch nur noch deutlicher.
»Ich darf doch nicht der Grund für Doras Niederlage sein…«
Seine Stimme verlor sich, schaudernd sah er mich an. »Was wird werden, Lestat?« fragte er.
»Dora muß da durch«, sagte ich. »Auch wenn dein Tod bekannt wird, muß sie an ihrem Glauben festhalten.«
»Ja, also
Weitere Kostenlose Bücher