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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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damit er an meiner Seite, neben mir verwesen sollte.
    Ich begann zu singen: » Dies irae, dies illa«, und lachte dabei. Drei Nächte später riss ich dem stinkenden Leichnam Riccardos die Glieder aus und schleuderte sie aus der Zelle. Ich konnte es nicht mehr aushalten! Ich ließ den aufgeblähten Rumpf wieder und wieder gegen die Stäbe krachen, bis ich endlich schluchzend zu Boden sank, weil ich es einfach nicht schaffte, das unförmige Ding zu zerstückeln. Schließlich kroch ich in die hinterste Ecke, so weit weg davon wie möglich.
    Allesandra kam. »Kind, was kann ich sagen, um dich zu trösten?« Ein körperloses Flüstern im Dunkel.
    Aber es war auch noch jemand anderes da, Santino. Als ich mich umdrehte, sah ich in den schwachen, verirrten Lichtstrahlen, die nur ein Vampirauge noch aufnehmen konnte, dass er einen Finger an die Lippen legte und sacht den Kopf schüttelte. Er bedeutete ihr zu schweigen. »Er muss nun allein sein«, sagte er.
    »Blut!«, kreischte ich. Ich rannte mit ausgebreiteten Armen gegen die Gitterstäbe an, so dass sie beide erschreckt vor mir zurückprallten. Nach weiteren sieben Nächten war ich so ausgehungert, dass mich nicht einmal mehr der Geruch von Blut auf die Füße brachte. Da kamen sie und legten mir ein Opfer - einen kleinen Straßenjungen, der zum Erbarmen weinte - direkt in die Arme.
    »Ach, hab nur keine Angst, nein«, flüsterte ich, während ich meine Zähne eilig in seinen Hals bohrte. »Hmmm, vertrau mir«, hauchte ich, genüsslich saugend. Ich trank ganz langsam und unterdrückte krampfhaft mein verzücktes Lachen, während ich blutige Tränen der Erleichterung auf das kleine Gesicht tropfen ließ. »Ach, träume nur, träum etwas Schönes. Sieh, die Heiligen werden kommen und dich mit sich nehmen. Siehst du sie?«
    Anschließend ließ ich mich gesättigt zurücksinken und suchte nach den winzigen Sternenpünktchen auf der Lehmdecke über mir, nach diesen glitzernden, harten Stein- und Eisenkörnchen, die in dem Erdreich eingeschlossen waren. Ich ließ den Kopf zur Seite sinken, weg von dem kleinen Kinderleichnam, den ich sorgfältig, wie für das Leichentuch, hinten an der Wand niedergelegt hatte.
    Da war jemand in meiner Zelle, eine kleine Gestalt, die mich anschaute. Ihr hauchdünner Umriss zeichnete sich vor der Wand ab. Ein weiteres Kind für mich? Ich stand auf, bestürzt. Es strömte keinen Geruch aus. Ich drehte mich um und starrte den Leichnam an. Er lag in der gleichen Stellung wie vorher. Und doch, da, vor der hinteren Wand, stand genau dieser Junge, klein und fahl und verloren, und schaute mich an.
    »Wie kommt das?«, flüsterte ich.
    Aber das jämmerliche kleine Ding konnte nicht sprechen. Es schaute nur. Es war in denselben weißen Kittel gekleidet wie das tote Kind, und seine Augen waren weit aufgerissen und farblos, mit verschwommen, grübelndem Blick.
    Aus der Ferne drang ein Geräusch an mein Ohr. Ein schlurfender Schritt in dem langen Katakombengang, der zu meiner Zelle führte. So ging kein Vampir! Ich richtete mich auf, meine Nüstern bebten unmerklich, als ich versuchte, den Geruch dieses Wesens aufzufangen. Doch die dumpfe, feuchte Luft trug nichts mit sich. Nur der Geruch des Todes hing in meiner Zelle.
    Ich heftete meine Augen auf den zählebigen kleinen Geist. »Warum verweilst du hier?«, flüsterte ich verzweifelt. »Warum kann ich dich sehen?«
    Er bewegte den kleinen Mund, wie um zu antworten, doch dann schüttelte er nur ganz leicht den Kopf, ein beredter Ausdruck seiner Verwirrung.
    Die Schritte kamen näher. Und abermals mühte ich mich, eine Witterung aufzunehmen. Aber nichts, nicht einmal die staubigen Ausdünstungen einer Vampirkutte, nur dies, das Herannahen des schlurfenden Geräusches. Bis endlich vor den Gitterstäben der hohe, schattenharte Umriss einer hageren Frau erschien. Ich wusste, dass sie tot war. Ich wusste es. Ich wusste, sie war so tot wie der Kleine drüben bei der Wand.
    »Sprich zu mir, bitte, oh, bitte, ich bitte dich, ich flehe dich an, sprich zu mir!«, rief ich aus.
    Doch die beiden geisterhaften Erscheinungen konnten den Blick nicht voneinander lösen. Das Kind eilte mit schnellem, leisem Schritt in die Arme der Frau, und sie, die ihr Kind wiederhatte, begann schon, während sie sich umdrehte, zu verblassen, obwohl ihre Füße wieder das scharrende Geräusch auf dem harten Lehmboden erzeugten, das schon ihr Kommen angekündigt hatte.
    »Sieh mich an!«, bat ich leise. »Nur ein Blick!«
    Sie hielt inne. Es

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