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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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auf beide Wangen.
    »Wir schicken dich fort, nach Norden«, sagte er, »in die Stadt Paris, denn der Anführer dort ist, wie wir es alle früher oder später tun, ins Feuer gegangen. Seine Kinder erwarten dich. Sie haben von dir gehört, von deiner Sanftheit, deinem Mitgefühl und deiner Schönheit. Du wirst ihr Anführer, ihr Heiliger sein.«
    Meine Brüder kamen einer nach dem anderen und küssten mich. Meine Schwestern, die nicht allzu viele waren, drückten mir ebenfalls ihre Küsse auf.
    Ich schwieg. Ich stand still, lauschte immer noch dem Gesang der Vögel in den nahen Pinien, während mein Blick sich ein ums andere Mal zu den tief hängenden Wolken verirrte und ich mich fragte, ob wohl bald der Regen fiele, der Regen, den ich schon riechen konnte, das einzige Wasser, das mir nun zur Reinigung noch gestattet war. Der süße, weiche, warme römische Regen.
    »Schwörst du feierlich, den Orden nach den Bräuchen der Finsternis zu führen, wie Satan es will, und wie Gott, unser H E RR und Schöpfer, es will?«
    »Ich schwöre.«
    »Schwörst du, allen Befehlen zu folgen, die dir der römische Orden schickt?«
    »Ich schwöre …«
    Worte, Worte, Worte.
    Sie schichteten Holz auf das Feuer. Dröhnend setzten die Trommeln ein. Feierlich ernste Klänge.
    Ich begann zu weinen.
    Dann kam Allesandra, nahm mich in ihre Arme, so dass ich ihr dichtes, graues Haar an meinem Hals spürte.
    »Ich werde mit dir in den Norden gehen, mein Kind«, sagte sie. Die Dankbarkeit überwältigte mich. Ich schlang die Arme um sie, hielt ihren harten, kalten Körper fest an mich gedrückt, während das Schluchzen mich schüttelte.
    »Ja, lieber Kleiner, ich werde bei dir bleiben«, sagte sie. »Ich bin alt, aber ich werde bei dir bleiben, bis es Zeit für mich ist, mich Gottes Gerechtigkeit zu stellen, wie wir es alle eines Tages tun.«
    »Dann wollen wir tanzen und frohlocken!«, rief Santino. »Satan und Christus, Brüder im Hause des HERRN, Euch weihen wir diese gebesserte Seele!« Er warf die Arme hoch.
    Allesandra ließ mich los, ihre Augen glänzten von Tränen. Ich konnte an nichts denken außer an die Dankbarkeit, die ich empfand, weil sie mit mir ging, so dass ich diese fürchterliche Reise nicht allein antreten musste. Sie war bei mir. Allesandra war bei mir. Ach, ein Tor war ich, Satan geweiht und dem Gott, der Satan geschaffen hatte. Sie stand neben dem hoch gewachsenen Santino, ebenso majestätisch wie er, und erhob nun ebenfalls die Arme, und ihr Haar schwang im Takt hin und her. »Lasst den Tanz beginnen!«, rief sie. Die Trommeln dröhnten wie Donner, die Hörner jammerten, und das Rasseln der Tambourine hallte in meinen Ohren. Ein dumpfer, lang gezogener Schrei stieg von dem dichten Kreis der Vampire auf, und indem sie sich an den Händen fassten, begannen alle gleichzeitig zu tanzen. Ich wurde in den Kreis um den lodernden Scheiterhaufen eingereiht, und wie sie sich wiegten, nach links oder nach rechts, so zerrten sie mich jedesmal mit sich, nach hier, nach da, bis sie losließen und mit einer Drehung hochsprangen. Beim Drehen, beim Springen spürte ich den Wind über meinen Hals streichen. Auf die Sekunde genau streckte ich die Hände aus, um den Kreis wieder zu schließen, und abermals neigte ich mich nach rechts und nach links. Über uns schoben sich die Wolken noch dichter zusammen, plusterten sich auf und segelten über den schwärzer werdenden Himmel. Dann kam der Regen, sein sanftes Rauschen ging in den Schreien der rasenden, tanzenden Gestalten unter, im Knattern des Feuers und dem Dröhnen der Trommeln. Doch ich hörte ihn. Ich drehte mich und sprang hoch in die Luft und nahm ihn entgegen, den silbrigen Regen, wie ein Segen aus einem finsteren Himmelreich ließ ich ihn an mir herabfließen, das Taufwasser der Verdammten.
    Die Musik rauschte auf. Ein barbarischer Rhythmus setzte ein, die geordnete Kette der Tänzer löste sich. Mitten im Regen bei der unlöschbaren Glut des riesigen Feuers schwenkten die Vampire ihre Arme, heulten, bogen sich, ihre Glieder verzerrten sich, bis sie stampfend mit gebeugten Rücken die Fersen in den Boden bohrten und dann hoch in die Luft schnellten. Die Arme ausgebreitet, mit kreisenden Hüften sprangen sie, und dann rissen sie den Mund auf, und aus allen Kehlen dröhnte lauthals die Hymne
     
    Dies irae, dies illa.
    Ach, ja, ach, ja,
    der Tag des Wehs,
    der Tag des Feuers!
     
    Anschließend - vom Scheiterhaufen war nur noch schwarze Asche übrig, die anderen waren alle zum Jagen

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