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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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natürlich das Gegenteil behauptet. Ich beruhigte mich mit der Vorstellung, dass ich eine Hexe war, und als Strafe für meine Zweifel erlegte ich mir auf, in dunklen Straßen umherzuwandern. Aber ich wusste, was es heißt, Angst zu haben. Und nun, nun habe ich vor nichts mehr Angst, trotz der Dunkelheit. Es würde mir nichts ausmachen, wenn du mich hier allein ließest, ich würde einfach unbekümmert weitergehen. Als Mann kannst du gar nicht verstehen, was ich sagen will. Du weißt nicht, wie verletzbar eine Frau ist. Du kannst dieses Gefühl von Macht, das ich nun besitze, nicht verstehen.«
    »Ich denke, ein bisschen schon«, antwortete ich versöhnlich. »Ich bin als Sterblicher alt geworden, erinnere dich, ein alter Mann, und deshalb hatte ich Angst, wie ich sie als junger Mensch nie kannte.«
    »Nun, dann verstehst du vielleicht, wie sehr eine Frau in ihrem tiefsten Herzen stets auf der Hut ist. Dann verstehst du, wie großartig ich diese Kraft finde.«
    Ich legte den Arm um sie. Sanft zog ich sie zu mir heran, damit ich sie küssen konnte, und ich spürte ihre kühle übernatürliche Haut unter meinen Lippen. Ihr Parfüm schien nun etwas Fremdes zu sein, etwas, das nicht mehr zu ihr gehörte, auch wenn es immer noch lieblich duftete und an ihren langen Locken haftete, in die ich liebevoll meine beiden Hände vergrub.
    »Du weißt, dass ich dich liebe«, sagte ich, und ich vernahm die schreckliche Reue, die schreckliche Bitte um Buße in meiner eigenen Stimme.
    »Verstehst du nicht? Ich bin jetzt auf ewig bei dir!«, sagte sie. »Warum sollte sich einer von uns von dem anderen trennen?«
    »Es geschieht. Es gibt Zeiten, da geschieht es einfach«, antwortete ich. »Frag mich nicht, warum.«
    Unser Umherwandern hatte uns schließlich zu Merricks Haus geführt. Sie bat mich, auf sie zu warten, und betrat es allein. Als sie wieder herauskam, hatte sie die bekannte alte Leinentasche dabei. Meine scharfen Sinne meldeten mir, dass ein seltsamer Geruch davon aufstieg, säureartig, che misch, irgendwie völlig anders als alles, was ich kannte. Dieser Geruch interessierte mich nicht sonderlich, und deshalb dachte ich, als wir weitergingen, nicht mehr daran, oder vielleicht gewöhnte ich mich auch an den Geruch oder bemerkte ihn einfach nicht mehr. Mir stand der Sinn im Moment nicht nach unbedeutenden Geheimnissen. Mein Elend und mein Glücksgefühl waren zu groß. Als wir in die Wohnung zurückkehrten, fanden wir Louis abermals dramatisch verändert vor. Er saß still neben Lestat im hinteren Salon, aber durch das stärkere Blut sah er bleich und wie gemeißelt aus, so dass er wie sein Erzeuger eher einem Werk aus Marmor glich als einem Wesen aus Fleisch und Knochen. Er würde nun Asche zwischen seinen Händen zermahlen und sie sich über die Haut streichen müssen, wenn er hell erleuchtete Orte aufsuchte. Seine Augen glänzten sogar noch stärker als zuvor. Aber was war mit seiner Seele? Was hatte er uns zu sagen? War er tief in seinem Herzen noch derselbe?
    Ich ließ mich in einen Sessel sinken, und Merrick setzte sich ebenfalls. Die Leinentasche fiel neben ihren Füßen zu Boden. Und ich denke, wir waren uns beide einig, dass wir abwarten wollten, bis er sich äußerte.
    Lange Zeit saßen wir nur beieinander und warteten. Lestats Blicke kehrten in verständlicher Faszination immer wieder zu Merrick zurück, und dann ergriff Louis endlich das Wort. »Ich danke euch allen von ganzem Herzen, dass ihr mich ins Leben zurückgeholt habt.« Das war der alte Tonfall, die alte Ehrlichkeit. Vielleicht hörte man sogar noch ein wenig von der alten Zaghaftigkeit heraus. »Seitdem ich unter den Untoten weile, habe ich nach etwas gesucht und kam zu dem Schluss, dass ich es niemals besitzen würde. Vor über einem Jahrhundert reiste ich auf der Suche danach in die Alte Welt. Und ich suchte immer noch, als ich mich ein Jahrzehnt später in Paris wiederfand.« Seine voll tönende Stimme spiegelte die alten Emotionen. »Wonach ich suchte? Es war ein Ort, irgendein Ort, an dem ich Teil von etwas sein konnte, das größer als ich selbst war. Ich wollte kein von allen Ausgestoßener sein. Ich suchte eine Gemeinschaft, die mich in ihre Gruppe einbinden würde, in der ich wirklich dazugehörte. Aber das fand ich nirgends, bis jetzt.« Er sah erst mich, dann Merrick bedeutungsvoll an, und ich bemerkte die Liebe, die sein Gesicht warm aufleuchten ließ.
    »Ich bin nun ebenso stark wie du, David. Und bald wird auch Merrick so stark sein.« Er

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