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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Wange zu drücken. Sie wollte etwas sagen, aber sie wurde unterbrochen. Ein großer amerikanischer Straßenkreuzer kroch auf uns zu. Durch die dicken Scheiben dröhnten die tiefen Bässe des Radios zusammen mit den hässlichen Ausdrücken eines abscheuliche n Songs. Wie so viele moderne Songs schien es nur ein dröhnendes Tosen zu sein, dafür gedacht, die Menschen verrückt zu machen. Der Wagen hielt erst einen knappen Meter vor uns an, und wir setzten unseren Weg fort. Ich wusste, die beiden Sterblichen, die darin saßen, wollten uns etwas antun. Ich sang ihr Requiem. Vielleicht lächelte ich ja. Es ist zwar verrückt, aber ich glaube, ich lä chelte.
    Mit einem hatte ich nicht gerechnet - mit dem plötzlichen Knall einer Pistole und dem leuchtenden Blitz einer vor meinen Augen vorbeizischenden Kugel. Merricks Lachen klang abermals auf, denn auch sie hatte den grellen Bogen, den die Kugel beschrieb, gesehen. Die Tür des Wagens öffnete sich, und ein dunkler Umriss bewegte sich auf Merrick zu. Sie ging ihm entgegen, streckte ihre schlanken Arme Willkommen heischend aus und hielt das Opfer mitten im Schritt auf. Ich sah, wie der Mann erstarrte, als sie ihre Zähne in ihn schlug. Ich sah, wie er schlaff wurde, sah, wie Merricks Arme den massigen Körper mühelos festhielten. Ich roch das Blut, und ich war nichts anderes mehr als ein Vampir.
    Nun stieg der Fahrer aus dem Wagen, den er mit laufendem Motor stehen ließ, da er stinkwütend darüber war, dass der nette, kleine Raub oder gar die Vergewaltigung schief gegangen war. Wieder knallte die Pistole, aber die Kugel verschwand in der Dunkelheit. Ich flog dem Angreifer förmlich entgegen und erwischte ihn so leicht, wie auch Merrick ihre Beute erwischt hatte. Meine Zähne waren flink, und der Geschmack des Blutes war herrlich. Nie zuvor habe ich so gierig, so intensiv getrunken. Nie habe ich den Tod hinausgezögert, mich für lange Sekunden auf den Wellen verzweifelter Erinnerungen und Träume dieses traurigen Geschöpfes tragen lassen, ehe ich seine Überreste von mir schleuderte, außer Sicht ins hohe Gras eines verlassenen Grundstücks. Ohne zu zögern, legte auch Merrick ihr sterbendes Opfer an die gleiche überwucherte Stelle.
    »Du hast die Bisswunden geschlossen?«, fragte ich. »Damit man keine Spuren davon findet, wie er gestorben ist?«
    »Natürlich«, antwortete sie.
    »Warum hast du ihn nicht umgebracht?«, fragte ich. »Du hättest ihn töten sollen.«
    »Sobald ich von Lestat getrunken habe, kann ich meine Opfer töten«, entgegnete sie. »Außerdem wird er nicht überleben. Er wird gestorben sein, ehe wir zurück in der Wohnung sind.« Und wir machten uns auf den Rückweg.
    Ich fragte mich, ob Merrick wusste, was in mir vorging. Mein Gefühl sagte mir, dass ich sie betrogen und vernichtet hatte, dass ich ihr jedes nur vorstellbare Übel angetan hatte, obwohl ich geschwo ren hatte, gerade das von ihr fern zu halten. Während ich rückblickend unseren Plan betrachtete, demzufolge sie für Louis und mich einen Geist beschwören sollte, erkannte ich, dass dort die Saat dessen lag, was anschließend geschehen war. Ich war gebrochen, ein Mann, der von seinem eigenen Fehlverhalten gedemütigt war und es dennoch mit der kalten Passivität eines Vampirs ertrug, die so hervorragend mit menschlichem Schmerz einhergehen kann. Ich hätte ihr gern gesagt, wie Leid es mir tat, dass sie ihr sterbliches Leben nicht bis zu dem ihr zugedachten Maß hatte auskosten können. Ich hätte ihr gern gesagt, dass das Geschick sie vielleicht für große Dinge vorgesehen hatte und dass ich dieses Geschick durch meinen sorglosen Egoismus zerstört hatte, durch ein Ego, das sich nicht zurückhalten konnte. Aber warum sollte ich ihr diese kostbaren Augenblicke zerstören? Warum sollte ich ein Leichentuch über all den Glanz breiten, den sie um sich herum wahrnahm und an dem ihre Vampiraugen sich sättigten, wie sie selbst sich zuvor an dem Blut gesättigt hatte? Warum sollte ich ihr die wenigen jungfräulichen Nächte nehmen, in denen Gewalt und Bosheit noch geheiligt und gerecht schienen? Warum das alles durch Kummer und Schmerzen überdecken? Das alles würde noch früh genug kommen.
    Vielleicht las sie meine Gedanken. Und ich versuchte es wirklich nicht zu verhindern. Aber als sie dann sprach, deutete nichts in ihren Worten darauf hin.
    »Mein ganzes Leben lang«, sagte sie vertraulich, »hatte ich vor irgendetwas Angst, wie es bei einem Kind und einer Frau eben so ist. Ich habe

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