Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
heute in den Räumen des Historischen Museums von Rhode Island.
Nach dem Tode ihrer Mutter hatte Eliza, allein unterstützt von einer schon alten Negerin, den Haushalt geführt. Ihre Auseinandersetzungen mit ihrem Vater über Curwens Hochzeitspläne müssen sehr schmerzlich gewesen sein, doch es existieren darüber keine Aufzeichnungen. Fest steht nur, dass ihre Verlobung mit dem jungen Ezra Weeden, dem zweiten Maat des Crawford-Postschiffes Enterprise , pflichtgemäß gelöst wurde und dass ihre Vermählung mit Joseph Curwen am siebenten März 1763 in der Baptistenkirche stattfand. Die hochrangigste Gesellschaft, derer die Stadt sich rühmen konnte, war anwesend; der jüngere Samuel Winson vollzog die Zeremonie. Die Gazette erwähnte das Ereignis nur kurz, doch aus den meisten erhaltenen Exemplaren der Zeitung ist der Artikel scheinbar ausgeschnitten oder ausgerissen worden. Ward fand nach langer Suche in den Archiven eines bekannten privaten Sammlers eine einzige intakte Ausgabe und amüsierte sich über die banale Geziertheit der Sprache:
»Am vergangenen Montagabend wurde Mr. Joseph Curwen, Bürger dieser Stadt und Kaufmann, mit Miss Eliza Tillinghast vermählt, Tochter des Kapitäns Dutie Tillinghast und eine junge Dame von echten Vorzügen und liebreizendem Äußeren, die so dem Ehestande Anmut verleihen und beständige Glückseligkeit gewähren wird.«
Die Sammlung der Briefe von Durfee Arnold, die Charles Ward in der Privatsammlung von Melville F. Peters aus der George Street kurz vor seinem ersten aktenkundigen Anfall entdeckte, wirft ein lebhaftes Licht auf die Empörung, die durch diese unpassende Verbindung ausgelöst wurde. Der gesellschaftliche Einfluss der Tillinghasts war jedoch offenkundig, und einmal mehr konnte Joseph Curwen Personen in seinem Haus willkommen heißen, die er ansonsten nie dazu gebracht hätte, über seine Schwelle zu treten. Völlig akzeptiert wurde er jedoch keinesfalls.
Seine Braut war die gesellschaftlich Leidtragende dieser erzwungenen Ehe, doch immerhin hatte Curwen die Mauer der völligen Ächtung ein wenig abbauen können. Im Umgang mit seiner Gemahlin verblüffte der sonderbare Bräutigam sowohl sie als auch die Gemeinde mit dem hohen Maß an Charme und Rücksichtnahme, die er an den Tag legte. Das neue Haus in Olney Court war nun völlig frei von irgendwelchen verstörenden Phänomenen, und obwohl Curwen häufig auf seiner Farm weilte, die seine Frau nie besuchte, erschien er mehr als je zuvor in der langen Zeit seines Lebens wie ein normaler Bürger. Nur eine einzige Person blieb ihm offen feindlich gesonnen, und zwar der jugendliche Schiffsoffizier, dessen Verlobung mit Eliza Tillinghast so schlagartig abgebrochen worden war. Ezra Weeden hatte offen Rache geschworen, obwohl er eigentlich ein ruhiges, sanftes Gemüt besaß. Nun entwickelte er einen beharrlichen Hass, der für den Mann, der seine Braut geraubt hatte, nichts Gutes verhieß.
Am siebenten Mai 1765 wurde Curwens erstes und einziges Kind Ann geboren und von Reverend John Graves in der King’s Church getauft. Dieser Gemeinde gehörte das Ehepaar seit der Vermählung an, um einen Kompromiss zwischen ihrem kongregationalistischen beziehungsweise baptistischen Glauben zu finden. Die Notiz dieser Geburt war ebenso wie die der Hochzeit zwei Jahre zuvor aus den meisten Ausgaben der kirchlichen und städtischen Annalen, wo sie eigentlich auftauchen sollten, entfernt worden. Doch unter großen Anstrengungen spürte Charles Ward beide auf, nachdem die Entdeckung des Namenswechsels der Witwe ihn über seine eigene Verwandtschaft mit ihr in Kenntnis gesetzt und das fieberhafte Interesse ausgelöst hatte, das in seinen Wahnsinn münden sollte. Der Geburtseintrag fand sich kurioserweise durch einen Briefwechsel mit den Nachfahren des Loyalisten Dr. Graves, der eine Abschrift des Kirchenbuches mitgenommen hatte, als er beim Ausbruch der Revolution seine Pfarrei verlassen musste. Ward hatte es bei dieser Quelle versucht, weil er wusste, dass seine Ururgroßmutter Ann Tillinghast Potter der Episkopalkirche angehört hatte.
Kurz nach der Geburt seiner Tochter, die Curwen mit einem Eifer begrüßte, der zu seiner üblichen Kälte schlecht passte, fasste er den Entschluss, ein Porträt von sich malen zu lassen. Dieses Porträt gab er bei einem sehr begabten Schotten namens Cosmo Alexander in Auftrag, der damals in Newport lebte und später als der Lehrer von Gilbert Stuart berühmt wurde. Das Bildnis wurde angeblich direkt
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